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Kane & Lynch 2: Dog Days

Exklusiv: Jetzt ist der Irre am Drücker!

Der erste Teil von Kane & Lynch hat so seine Macken. Das Deckungssystem funktioniert so komfortabel wie eine Steuererklärung und die computergesteuerten Figuren würden vermutlich auch in der Baumschule nicht versetzt. Trotzdem besitzt Kane & Lynch das gewisse Extra. Einen Charme, dem man als Liebhaber markanter Persönlichkeiten leicht erliegt. Die Hauptcharaktere sind eben Charaktere mit Ecken und Kanten und keine austauschbaren Seifenoper-Protagonisten. Erinnert ihr euch an die Stelle, an der euer Partner Lynch mal wieder jemanden massakriert? Nicht weil es nötig gewesen wäre, sondern weil er verrückt ist. Ein Spiel voller Gegensätze. Kurz zusammengefasst: Die perfekte Ausgangslage für eine Fortsetzung.

Genau die stellte Entwickler IO Interactive im heimischen Kopenhagen nun erstmals vor. Und das ist wörtlich zu verstehen. Projektleiter Karsten Lund schießt sich vor versammelter Mannschaft persönlich durch einen Levelabschnitt von Kane & Lynch 2: Dog Days. Ohne Netz und doppelte Unverwundbarkeit. „Komplett überarbeitete und verbesserte Shooter-Mechanismen“ verspricht Lund in Bezug auf die im Vorgänger hakelige Steuerung. Davon überzeugen darf sich jedoch keiner der Gäste, Lund gibt das Joypad nicht aus der Hand. Lund, der Hund. Das ist zugegebenermaßen der Tiefpunkt des Besuchs. Doch der Rest von Kane & Lynch 2 lässt wahrlich aufhorchen. Bereits die ersten Actionsequenzen sind besser inszeniert als mancher Hollywood-Film.

Es ist der vierte Level, in dem Lund ins Spiel einsteigt. Straßenlärm dringt von draußen in das virtuelle China-Restaurant. „Xiu, ich bin es wieder ...“ Psycho-Zeitbombe Lynch hinterlässt per Handy eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter seiner Freundin. „Bitte ruf mich zurück, ich muss wissen, dass du in Sicherheit bist! Ich glaub, ich hab's böse versaut. Ruf mich an, okay? Ich muss deine Stimme hören!“

Lynch und Kane wieder vereint. Die Grafik wirkt stellenweise so real wie bei einer Fernsehsendung.

Was auch immer er sagt, Lynch bleibt ein Irrer, der sich jeden Moment vom leicht versifften Doppelripp-Unterhemd-Träger in eine Killermaschine verwandelt. Seit Teil 1 sind mehrere Jahre verstrichen. Trotzdem sitzt das Duo Infernale wieder in der Scheiße – entschuldigt die raue Ausdrucksweise. Aber wie anders sollte man es ausdrücken, wenn sowohl Polizei als auch die gesamt Unterwelt einer Millionenmetropole hinter einem her sind?

Lynch schaufelt sich Reis mit Holzstäbchen in den Mund, Kane reibt sich mit der Hand durchs Gesicht und saugt abgekämpft an einem Glimmstengel. Die beiden hocken hier, weil sich Lynchs vermeintlich „großes Geschäft“ als großer Bockmist entpuppt hat. Zum Glück haben die beiden mit Bockmist Erfahrung. Im Unterschied zum Vorgänger lenkt ihr in der neuen Episode allerdings nicht mehr Ex-Söldner Kane (außer im Kooperativ-Modus, den es in der PS3-Version nur am geteilten Bildschirm und nicht im Netzwerk gibt), sondern seinen labilen Psychofreund Lynch. Wahnsinn, oder?

Das neue Betätigungsfeld der beiden heißt Shanghai. Richtig gelesen: Die gleiche Stadt wie in Army of Two: The 40th Day, dem zweiten großen Kooperativ-Action-Spiel dieses Frühjahrs. Nur ein Zufall? Der künstlerische Leiter Rasmus Poulsen beteuert das jedenfalls gegenüber Eurogamer. „Wir sind selbst darauf gespannt, was die Kollegen bei EA Montreal aus dem Thema herausholen.“ Hinter vorgehaltener Hand fügt er noch mit einem Augenzwinkern hinzu: „Ich glaube, wir sind besser.“ Kane & Lynch 2 hält jedenfalls viele Trümpfe in der Hand, hoffentlich können die dänischen Entwickler sie alle ausspielen.

Dynamik wollen die Entwickler auch durch die Kameraführung erzeugen.

Zurück ins Restaurant. Schreie reißen die beiden Anti-Helden aus ihren Gedanken. „Was soll die Scheiße?“, ruft jemand. Plötzlich hämmern Schüsse durch die Nacht. Maschinengewehrschüsse. Eine Salve zersiebt die dünne Holzvertäfelung des Speisesaals. Instinktiv gehen die Männer in Deckung. Lynch lädt seine Schrotflinte durch, Kane zückt seinen Revolver. Showtime! Die Kamera verfolgt das Geschehen, als ob Quentin Tarantino als „Embedded Kamerakind“ eigenhändig von der Front berichtet. „Wir wollten immer, dass das Spiel seinen eigenen Stil bekommt. Es ist so, als ob man selbst Augenzeuge wird“, so Poulsen. Das wacklige Bild, kombiniert mit überzeichneten Lichteffekten, könnte aus einer Art Reality-Seifenoper stammen. Einer verdammt anormalen Seifenoper mit Schwerverbrechern in den Hauptrollen. Musikalisch untermalt das Ganze mit passenden Elektroklängen die Berliner Künstlerin Mona Mur, die ihr aus der 80er-Jahre Punkszene oder von Spielsoundtracks wie dem zu Velvet Assassin kennen könntet. Doch zurück zum Spielgeschehen.