LittleBigPlanet 2
Expedition ins Sackreich
Seit einer Weile schon läuft die öffentliche Beta von LittleBigPlanet 2. Man sollte meinen, dass eine solche Probephase für ein dermaßen vernetztes Spiel einfach eine Notwendigkeit ist, will der Entwickler einen reibungslosen Ablauf schon zum Verkaufsstart des Titels sicherstellen. Positive Nebeneffekte, wie die durch die fleißigen Tester schon vor dem Launch angefüllte Level-Bibliothek und mit reichlich Vorfreude-Sabber verbreitete Mundpropaganda für den Titel, sind vom Hersteller ausdrücklich gewünscht. Allerdings dürfte im Fall von LittleBigPlanet 2 auch eine kleine Portion Nervosität von Seiten Media Molecules mitspielen.
Der Entwickler beförderte das Sequel zum 2008er Baukasten vollmundig vom „Platform-Game" zur „Platform for Games" und behauptete, den Spielern ein erweitertes Feature-Set hinzustellen, mit dem sich beinahe alles auf dem kleinen, großen Planeten realisieren lässt (einen ausführlichen Überblick darüber in unserer früheren LittleBigPlanet-2-Vorschau). Alex Evans und Co. mussten sich unweigerlich fragen – ein bisschen zumindest –, in welchem Maße die Community die neu definierten Möglichkeiten auch annehmen und begreifen würde. Wer will schon die x-te Hommage an Green Hill Zone 1?
Etwaige Bedenken, die der Entwickler gehabt haben mag (oder auch nicht), dürften sich jedenfalls schnell in Wohlgefallen aufgelöst haben, denn die Community hat absolut Außergewöhnliches geleistet. Und da konkrete Beispiele mehr über das Potential von LittleBigPlanet 2 sagen als eine Liste seines Funktionsumfanges, unterhalten wir uns im Folgenden über einige der sehens- und spielenswertesten Kreationen, die Sackboys und Sackgirls in den ersten paar Wochen in die Welt gesetzt haben.
Wo fangen wir an? Mein Notizblock sagt, bei Stereo / mono. Dies ist im Grunde ein klassischer LittleBigPlanet-Level, der allerdings in extrem stilvoller Disco-Optik daherkommt. Das Besondere hieran ist, dass der Autor mithilfe des neuen Musik-Sequenzers Sound- und Leveldesign zu einem clever groovenden Plattformer integriert. Ich behaupte gar nicht, im Einzelnen zu begreifen, wie der Designer einige der Tricks hinbekommen hat, aber offenbar hat auch das neue Neon-Material eine tragende Rolle gespielt.
Im Takt der elektronischen Klänge wird in Teilen des Hinter- und Vordergrundes verschiedenfarbiges Licht an- und wieder ausgeknipst. Euer Sackboy bleibt dabei vollkommen im Dunkeln – nur die Füße sind ab und an zu sehen – während Plattformen, Lifte und Co. im Beat sichtbar werden und verschwinden. Epileptiker müssen aus naheliegenden Gründen leider draußen bleiben. Dennoch eine gekonnte und auch spielerisch sinnvolle Verknüpfung von Jump'n'Run und Musikspiel, wie man sie zuletzt auch in einigen Stages des neuen Super Mario Galaxy bewundern durfte. Es kommt stellenweise ein ganz eigener Flow auf.
Der nächste Punkt auf meiner Liste ist Sackro Machines 2, das einen wirklich ausgezeichneten Entwurf für einen Top-Down-Racer darstellt. Hier wurde einfach die Schwerkraft des Levels an die Rückwand geschmissen, bevor es an die Gestaltung der Strecke ging. In Anlehnung an das legendäre Micro Machines fahren hier bis zu vier Spieler in Mini-Karts aus erhöhter Perspektive auf einem Rundkurs über Tische und Arbeitsbänke. Abwechselnd beschreiben erst Frühstücksflocken, dann Nägel und allerlei andere Werkzeuge den Kursverlauf, bevor man sich kurz vor Schluss zwischen laufende Kreissägen hindurchschlängelt.
Wer hängen bleibt und damit aus dem Bildschirm verschwindet, ist raus. Ganz wie damals. Ein bisschen Feintuning und eventuell Respawnpunkte für verunglückte Fahrer würden dem Wettbewerb wohl gut tun. Dennoch überwiegt hier doch eindeutig die Begeisterung. Auffällig am Raser, der mithilfe der neuen „Control Seats" bewerkstelligt wurde, ist besonders das exzellente Fahrverhalten der Karts.
Beschleunigung, Trägheit und „Straßenlage" fühlen sich tatsächlich annähernd nach einem vierrädrigen Fahrzeug an, was ich in der Form zugegebenermaßen nicht erwartet hätte. Freut euch für die Zukunft auf ganze LBP-Rennspiele, bei denen Einzelstrecken mit der neuen Level-Link-Funktion zu ganzen Grand Prix verknüpft werden. Mit fortlaufend geführten Punktetafeln und allem, was sonst noch so dazugehört.
Ein vielleicht nicht unbedingt spielerisch besonders gehaltvoller, dafür aber umso interessanterer Beitrag, über den man sich erst lange wundert, wie er überhaupt möglich war, ist Vietnam FPS. Und zwar allein durch die Tatsache, dass hier tatsächlich aus der Ego-Perspektive auf Schießbuden-Soldaten geballert wird. Einschusslöcher und explosive rote Fässer inklusive. Man kann sogar der AK47 oder (wahlweise) M161A mit einem Zoom über das Visier blicken. Freie Kontrolle über die Blickrichtung hat man allerdings nicht. Stattdessen zieht man Sackboy-Waffenarm und fest arretiertes Fadenkreuz nach links, rechts, oben und unten über den Spielzeugdschungel.
Der Autor des Levels hat für das Simulieren der Ego-Sicht findigerweise einen Glitch benutzt, um 3D-Objekte auf einem Layer im Vordergrund zu erstellen und gibt euch mittels Controlinator die Macht, die Bewegungen zu bestimmen. Allein schon die Aussicht, in Zukunft gewisse Sequenzen eines Spieles in Ich-Perspektive zu erleben, öffnet Räume für viele kleine und große Ideen.