Mass Effect 2
Mehr Action- als Rollenspiel
Trotzdem legen die Action-Sequenzen qualitativ deutlich zu, was man von den Rollenspiel-Elementen nicht sagen kann. Besonders hart: Auf Loot wurde fast vollkommen verzichtet. Erfahrungspunkte bekommt ihr durch das Absolvieren von Aufträgen. Neue Waffen und Upgrades gibt es durch spezielle Blaupausen, die ihr in den Leveln findet. Um sie zu aktivieren, müsst ihr sie mithilfe der gefundenen Mineralien im Tech-Labor der Normandy erforschen. Alternativ könnt ihr einige Verbesserungen, etwa rüstungsbrechende Pistolen-Munition, Geth-Schilde und einen neuen Fähigkeiten-Slot, auch direkt bei den Händlern erstehen. Nerviges Item-Managment und langwierige Vergleiche fallen damit zwar flach, gleichzeitig geht aber auch Spieltiefe verloren.
Bei den Rüstungen geht BioWare sogar soweit, dass ihr nur die von Shepard wirklich verändern könnt. Lediglich beim Anführer könnt ihr mit speziellen Handschuhen mehr Schaden herausholen und mit Seitentaschen zusätzliche Munition mitschleppen. Eine weitere Ausnahme stellen die schweren Waffen dar, die nur Shepard einsetzen kann. Diese mächtigen Schießprügel, die von einem simplen Raketenwerfer über Strahlenkanonen bis hin zu einem nuklearen Geschütz reichen, werden durch Energiezellen aufgeladen, die ihr in speziellen Kisten findet. Abseits dieser Superwaffen bekommt ihr viele Standard-Schießprügel, die einfach bestehndes Material ersetzen. Auf die Werte müsst ihr dabei kaum achten. Umso frischer das Scharfschützengewehr, umso besser ist es auch.
Unterm Strich wird diese Vereinfachung nicht nur für Begeisterung sorgen, vor allem da auch die Mako-Missionen praktisch ersatzlos gestrichen wurden – es soll aber ein Fahrzeug samt Missionen per DLC nachgeliefert werden. Stattdessen fahndet ihr per etwas langatmigem Mineralsuch-Minispiel nach dringend benötigtem Nachschub und entdeckt zumindest überraschend gut inszenierte Nebenmissionen. Von System zu System geht es per Miniraumschiff durch die Galaxie. Geht euch der Treibstoff aus, müsst ihr am Treibstoffdepot nachtanken oder verliert alternativ Mineralien. Die Inszenierung wirkt dadurch zwar viel stimmiger, gleichzeitig verliert das Spiel aber etwas an Größe. Der Forscherdrang wird künstlich beschnitten.
Immerhin erwarten euch diesmal deutlich mehr und abwechslungsreichere Orte. Ihr besucht die heruntergekommene, rechtsfreie Raumstation Omega samt prächtiger Clubs, mitleiderregenden Quarantänestationen und einem großen Marktplatz. Ihr schlagt euch durch scheinbar verlassene Versuchslabors, macht die Hauptstadt der Kroganer unsicher und leitet einen Ausbruch aus einem interstellaren Gefängnis.
Wunderschön und vor allem atmosphärisch in Szene gesetzt, stören nur der relativ lineare Aufbau und der oft geringe Umfang der Locations. Nur wenn ihr spezielle Aufträge annehmt, bekommt ihr in Form von Instanzen mehr von den Örtlichkeiten zu sehen. Die Gefahr, euch wie im ersten Teil in der Citadel zu verlaufen, besteht dadurch nicht mehr. Ob das positiv oder negativ ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Euer Team ist dagegen über nahezu jeden Zweifel erhaben und für mich das Highlight von Mass Effect 2. BioWare ist es erneut gelungen, jeder Figur einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter zu verleihen. Auch hier wurde auf Schwarz-Weiss-Zeichnungen verzichtet. Neben einfachen Mitläufern nehmt ihr eiskalte Killer, psychopathische Superwesen und einen Korganer auf Sinnsuche mit. Jede Aufgabe, die ihr für die Loyalität eurer Kameraden erledigen müsst, stellt euch vor andere Herausforderungen. Meistens tragt ihr knallharte Kämpfe aus, manchmal geht es aber auch um die richtige Portion Menschenkenntnis und stahlharte Nerven.
Neu sind dabei spezielle Paragon- beziehungsweise Renegade-Momente. Per Tastendruck bei eingeblendetem Symbol haltet ihr dabei zum Beispiel eine Exekution auf oder rettet einem feindlichen Kämpfer das Leben. Im Umkehrschluss könnt ihr aber auch einen Menschen töten und so richtig die Sau rauslassen. Diese Härte passt hervorragend zu der deutlich düsteren Hauptstory. Überhaupt wirken die Figuren verbitterter, die Gespräche härter und die Entscheidungen gnadenloser. Angetrieben durch schnelle Schnitte, stimmungsvolle Perspektiven und weniger Text wirken selbst die Gespräche realistischer.