Mass Effect 3 - Test
Bitter Sweet Symphony
Wie schon erwähnt, handelt es sich bei Mass Effect 3 um eine Kriegsgeschichte, dementsprechend ist genau das ein zentrales Element des Spiels. Während ihr eine möglichst große Flotte zusammenstellt beziehungsweise Unterstützung sucht, sammelt ihr die so genannten "Aktivposten" für den Krieg. Das können einfach nur bestimmte Charaktere sein oder gleich ganze Flotten, abhängig ist das auch alles von euren Entscheidungen und den erfüllten Missionen. Manche Aktivposten leisten größere Beiträge, etwa die besagten Flotten, andere eher weniger. Wenn ihr etwa die Reporterin Diana Allers mit an Bord nehmt, gewährt euch das zwar nur einen sehr kleinen Bonus, aber immerhin besser als nichts.
Das allseits beliebte Planetenscannen aus Mass Effect 2 ist in dieser umfassenden Form nicht mehr vorhanden. Ihr sammelt auf den diversen vorhandenen Welten keine Rohstoffe mehr, sondern fliegt erst mal in ein System und nutzt dort euren Scanner, um wiederum interessante Stellen innerhalb dieses Systems aufzudecken. Dann fliegt ihr zu dem jeweiligen Punkt und wenn es ein Planet ist, werft ihr den Scanner an. Das beschränkt sich aber stets nur auf eine Position, ist also weitaus weniger zeitintensiv als das Scannen in Mass Effect 2 und trägt obendrein aktiv zu euren Kriegsbemühungen mit bei, wenn ihr etwa nützliche Ausrüstung aufspürt, Credits findet und so weiter.
Scannt ihr ein von den Reapern beherrschtes System, erregt ihr jedoch schnell ihre Aufmerksamkeit - angezeigt durch eine kleine Leiste am Bildschirmrand. Scannt ihr zu häufig und füllt sich diese Leiste, stürzen sich mehrere Reaper auf die Normandy. Um zu entkommen, fliegt ihr direkt auf der Galaxiekarte einfach aus dem System oder durch das Massenportal - erwischen sie euch, heißt es "Critical Mission Failure". Es ist ein kleines, nettes Mini-Spielchen und meist habt ihr auch kein Problem damit, ihnen zu entkommen. Damit die Reaper wieder gänzlich verschwinden und bei eurer Rückkehr nicht wieder angreifen, müsst ihr allerdings erst eine Mission erledigen.
Für eure Aktivposten spielen auch praktisch sämtliche Nebenmissionen eine entscheidende Rolle. Jede einzelne trägt ihren Teil dazu bei, wer das ultimative Paragon-Ende sehen möchte, muss also möglichst viele Aktivposten sammeln. Das Ende des Spiels leitet gewisse Geschehnisse indirekt von diesem Wert ab. Je höher er ist, desto besser. Die entscheidende "effektive militärische Stärke" liegt im Normalfall bei 50 Prozent der gesamten vorhandenen Aktivposten, diesen Wert könnt ihr allerdings steigern, indem ihr den Multiplayer spielt oder das kommende iOS-Spiel. Aber auch ohne diese lässt sich das bestmögliche Ende erreichen, ihr müsst nur so gut wie alles erledigen, was es zu erledigen gibt. Diese zusätzlichen Möglichkeiten sind eher ein Ausgleich, falls es aufgrund eurer Entscheidungen vielleicht doch nicht reichen sollte.
Gameplaytechnisch macht Mass Effect 3 ebenfalls einen weiteren Schritt nach vorne. Grundsätzlich orientiert sich das Kampfsystem an dem schon verfeinerten und sehr viel flüssiger ablaufenden Geschehen in Mass Effect 2, dabei sticht vor allem die Möglichkeit hervor, mit Shepard über den Boden zu rollen. Eine wirklich nützliche Fähigkeit, insbesondere, wenn man es mit größeren Gegnern zu tun hat und diesen ausweichen muss oder schnell im letzten Moment hinter eine Deckung hechtet, bevor jemand euch über den Haufen schießt. Rückblickend wünschte ich, das wäre auch in den Vorgängern möglich gewesen. Es hätte mir jedenfalls das eine oder andere Ärgernis erspart, insbesondere im Nahkampf mit Husks.
Die Kampfgebiete erwecken obendrein einen offeneren, natürlicheren Eindruck als noch im zweiten Teil. Es stehen oftmals mehr Wege beziehungsweise Zugänge zur Verfügung, die die Feinde auch nutzen. Sie versuchen euch mitunter in die Flanke zu fallen oder werfen Granaten, um euch aus der Deckung zu locken, im Großen und Ganzen sind sie nun aber auch nicht deutlich cleverer als im direkten Vorgänger. Zudem verändert sich hier und da schon mal das Schlachtfeld durch Einflüsse von außen, wenn zum Beispiel eine Brücke in Stücke geschossen wird und ihr nach unten fallt, was die Level etwas dynamischer erscheinen lässt.
Wieder erweitert hat man die Talentbäume jedes einzelnen Charakters. Diese nehmen zwar nicht das Ausmaß von Teil 1 an - der in dem Punkt sowieso etwas zu sehr überladen war -, allerdings habt ihr nun für jeden Skill wieder mehr Möglichkeiten. Jede einzelne Fähigkeit besitzt erst mal drei Grundstufen, anschließend könnt ihr euch in vier weiteren Schritten jeweils für eine von zwei Optionen entscheiden, jede mit ihren eigenen Vorteilen, etwa mehr Schaden anstatt mehr Schilde und ähnliches.
Die Fähigkeiten unterscheiden sich wie gewohnt je nach Charakter. Da gibt es die Soldaten wie Ashley, Garrus oder James, die mehr aushalten und gleichzeitig eher mit ihren Waffen Schaden austeilen, während Liara oder Kaidan vor allem mit ihren Biotiken dem Feind zusetzen und Tali ihre technischen Fähigkeiten ins Feld führt - das Gleiche gilt natürlich für die zur Vefügung stehenden Klassen von Shepard, die sich weiterhin recht unterschiedlich spielen. Mal offensiv (Soldat, Frontkämpfer), mal vorsichtig (Biotiker), mal eher aus dem Hinterhalt (Infiltrator). Manche Kräfte eignen sich mehr für bestimmte Gegner, bringen ihre Gesundheit schnell nach unten, andere sind besonders effektiv gegen Barrieren oder Schilde. Eines hat sich aber nicht geändert: Schilde und Barrieren blockieren wie in Teil 2 weiterhin bestimmte Biotikangriffe, also müsst ihr diese erst zu Fall bringen, damit beispielsweise die Singularität Feinde anzieht.
Die Biotiken sind also auch in Mass Effect 3 nicht mehr so übermächtig wie im ersten Teil, was das Spiel insgesamt taktischer macht. Ihr müsst darüber nachdenken, welche Skills ihr am besten wo und wann einsetzt, welche Attacken eurer Begleiter ihr vorzugsweise mit euren eigenen kombiniert und um welche Feinde ihr euch zuerst kümmert. Natürlich gibt es auch die eine odere neue Fähigkeit, beispielsweise Granaten oder den Nova-Angriff des Frontkämpfers, bei dem ihr eure Biotik dazu nutzt, eine Schockwelle direkt vor euch auszulösen, die manche Feinde von den Füßen haut, aber auch eure eigenen Schilde zusammenbrechen lässt.
Ebenso sind wieder Upgrades der Waffen möglich, analog zum ersten Teil. Pro Schießeisen könnt ihr zwei Aufrüstungen installieren, die dann etwa den Schaden steigern oder per Zielfernrohr ein präziseres Feuern ermöglichen. Ihr habt jedoch nicht ständig Zugriff auf euer Inventar. Die Bewaffnung lässt sich nur zum Start einer Mission und beim Aufnehmen einer neuen Kanone anpassen, die Installation von Upgrades - übrigens auch bei Begleitern - ist ebenfalls bei Missionsstart möglich, ansonsten an Bord der Normandy oder bei gelegentlich vorhandenen Mod-Stationen. Die nötigen Teile dafür findet ihr entweder vielfach innerhalb der Quests oder ihr kauft welche bei den diversen Läden. Praktisch: Habt ihr einmal Geschäftsterminal besucht, könnt ihr später im Frachtraum der Normandy per Konsole jederzeit wieder darauf zugreifen und euch Sachen liefern lassen, was aber ein bisschen teurer ist als ein Kauf direkt vor Ort. Die Rüstung könnt ihr im Einsatz gar nicht verändern, das geschieht ausschließlich auf dem Schiff.
Gute Nachrichten gibt es übrigens für diejenigen unter euch, die von der Citadel in Mass Effect 2 enttäuscht waren. Das Zentrum der galaktischen Regierungen steht nun wieder sehr viel mehr im Vordergrund, ihr bekommt massenhaft Quests auf der Citadel und auch einige von außerhalb, die euch zur Station führen. Zugegeben, die Mehrheit davon besteht zwar nur aus kleineren Jobs, aber die Bereiche der Station, die ihr betreten könnt, sind insgesamt auch größer und vielfältiger - erinnern mehr an den Look der Citadel aus Teil 1. Das gilt übrigens auch für das restliche Spiel. Was Feeling und Look betrifft, orientiert sich der Abschluss der Trilogie mehr an deren Start. Das merkt man allen voran auch an der Normandy selbst. Das Innere des Schiffes ist sehr viel dunkler, wirkt militärischer und erinnert mehr an ein Kriegsschiff als die doch eher sterile Cerberus-Variante der SR-2 - oder wie sie auch gerne mal genannt wird: Das fliegende Krankenhaus. Eine willkommene Rückkehr zu alten Tugenden.