Max Payne 3
Samba auf Schmerzmitteln
Fans klassischer Spielereihen haben es wahrlich nicht leicht. Zumindest denken sie das. XCOM und Syndicate werden zum Beispiel zu Shootern, was viele als den größten aller Frevel verschreien, Zeter und Mordio obendrauf. Teils aus sehr verständlichen Gründen, dann wiederum aber auch komplett ungeachtet der Tatsache, dass wir Ego-XCOM nicht bekommen, weil irgendwo ein 2K-Manager ein in der Planung befindliches Strategie-XCOM gekeult hat. Trotzdem weiß ich, worum es ihnen geht. Es könnte so schön sein.
Dann wiederum gibt es Spiele wie Max Payne 3, bei dem es schon gereicht hat, dass die Figur nicht noch genauso aussah wie vor acht Jahren, dass Freunde der Reihe hier gleich den nächsten Raubbau an der treuen Gefolgschaft witterten. Natürlich dürfte auch der Entwicklerwechsel von Erfinder Remedy zu einem Konglomerat aus verschiedenen Rockstar-Studios dazu beigetragen haben. Und zugegebenermaßen war es vielleicht nicht der geschickteste Zug, zur Ankündigung einen kahl geschorenen Vollbart-Max im Bruce-Willis-Gedenk-Wifebeater zu präsentieren - zudem noch unter der prächtigsten Sonne diesseits des Super Mario Landes. Aber trotzdem sollte jeder vielleicht einmal überlegen, wie sehr er seine Helden auf der Stelle treten sehen will.
Speziell jemandem wie Max, der als privat komplett verkorkster, todunglücklicher und von inneren Dämonen zerfressener Noir-Archetyp eine der interessantesten Figuren der Spielegeschichte ist, wird man doch nach acht Jahren eine gewisse Wandlung zugestehen dürfen? Zumal diese auch, wie nach unserem Besuch bei Rockstar in München mittlerweile klar ist, alles andere als an den Haaren herbeigezogen scheint und logisch aus der Handlung heraus folgert. Man startet mit Max im gewohnten Look und im bekannt zugigen New York City. Als aber mal wieder ein Gangsterboss sein Leben will, ist es im Grunde wenig verwunderlich, dass sich der grenz-lebensmüde Aspirin-Junkie von seinem alten Kollegen Raul einen Job als privater Personenschützer in Sao Paulo vermitteln lässt.
Die Ausgangssitation bietet also das gewohnte Bild, wenngleich Max zum dritten Mal im dritten Spiel ein anderes Gesicht bekommen hat. Nach Remedy-Autor Sam Lake im ersten und Timothy Gibbs im zweiten Teil leiht nun James McCaffrey selbst, seit Anbeginn der Reihe die sonore Stimme des freudlosen Cops, der Figur seine markanten Züge. Sogar in vielen der Motion Captures verkörpert er Herrn Payne, was gerade in Zwischensequenzen für ein glaubwürdiges Zusammenspiel aus Dialog und Darbietung sorgt. Genau genommen ist der neue Max durch den klugen Einsatz McCaffreys also sogar mehr und konzentrierterer Max Payne als je zuvor.
Daran kann dann auch der spätere neue Look nichts mehr ändern. Den legt sich Max zu, nachdem bei seinem Personenschutz-Job für den schwerreichen Immobilienmogul Branco alles schief geht, was schief gehen kann und offenbar einige alte Wunden aufgerissen werden. Max muss untertauchen, sein Aussehen verändern - und dann tun, was er am besten kann: Sich mit gezogener Waffe in Zeitlupe in Räume voller schießfreudiger Gangster werfen und ein Bleiballett aufzuführen, das selbst der große John Woo nicht besser hätte erdenken können. Wie viel Spaß man mit Max Payne hat, steht und fällt auch im dritten Teil offenkundig wieder damit, wie gut der Spieler Dinge wie die Bullet-Time und Max' erstaunlich rüstigen Knochenbau begreift und nutzt und ob er Situationen und Umgebung richtig einzuschätzen weiß.
Wer sich leidenschaftslos und statisch durch das Spiel ballert wie in einem Shooter von der Stange, ist nicht nur weniger erfolgreich, er bekommt zudem nicht annähernd die spektakulären Slow-Mo-Tode, Blattschüsse und epischen Kugeldurchlöcherungen zu sehen wie jemand, der weiß, was er tut. Leute, bei denen die Systeme klicken, erleben weit mehr als linearen Standard in hübsch detaillierter Umgebung. Sie inszenieren Feuergefechte, die man selbst in interaktionsbefreiten Zwischensequenzen anderer Top-Produktionen, ja sogar Filmen, so nicht zu Gesicht bekommt. Aufregend, groß und im positivsten Sinne unrealistisch. Das hier ist der Stoff, aus dem Actionhelden sind.