Medal of Honor
Der unendliche Krieg
Die Spezialangriffe bekommt ihr hier durch Punkte statt durch Kills. Für eine einfache Tötung gibt es zehn davon, fünf mehr für einen Kopfschuss und weitere fünf, wenn ihr damit einen Kollegen rettet. Wer lange genug überlebt, kann also auch ohne Glück Mörserangriffe und Raketenschläge auf feindlichen Stellungen platzieren. Alternativ zu diesem offensiven Attacken könnt ihr aber auch eine Aufklärungsdrohne in die Luft schicken, eurem ganzen Team schusssichere Westen verpassen oder die Munition auffüllen. Das Ganze spielt sich deutlich einfacher und konzentriert sich viel mehr auf das eigentliche Gunhandling.
Die Level wurden bewusst ohne große Versteckmöglichkeiten konstruiert. Hier geht es klar um die beste Hand-Augen-Koordination und die schnellste Reaktionszeit, nicht um das hinterfotzigste Versteck. Insbesondere mit dem Scharfschützengewehr entstehen packende Duelle, die über Hunderte Meter ausgetragen werden. Situationen, bei denen erfahrene Spieler leichte Vorteile haben, weil man wie bei vergleichbaren Titeln zusätzliche Waffen freischaltet.
Doch anstatt euch mit Dutzenden Waffentypen und Ausrüstungsgegenständen zu überfordern, setzt DICE auch hier auf eine Vereinfachung. Es gibt drei Klassen, fünf verschiedene Ausrüstungsslots und ein halbes Dutzend Schießeisen für den Spezialisten, den Sturmsoldaten und den Scharfschützen. Im Gegensatz zu Bad Company 2 ist die Wahl oft einfach Geschmackssache. Da es nur sehr selten Fahrzeuge beziehungsweise den einzelnen Schützenpanzer gibt, muss man eben nicht ständig hin- und herwechseln. Es bleibt euch überlassen, ob ihr als Spezialist mit einer Schrotflinte in den Nahkampf geht oder aber mit der M4 auch auf mittlere Entfernung erfolgreich seid.
Nach aktuellem Stand gibt es fünf unterschiedliche Spielmodi. Deathmatch, Team-Deathmatch, Combat Mission, Objective Raid und Sector Control. Die ersten beiden sind wohl selbsterklärend. Töten und getötet werden. Irgendwo in Afghanistan. Hoch in den Bergen, in den weiten Wüsten oder mitten in Kabul.
Combat Mission erinnert dagegen stark an den Rush-Modus aus Bad Company 2. Beide Parteien starten in einem Teil der Karte, die Angreifer (Die Amerikaner) müssen Bunker sprengen, Ziele einnehmen oder eben Gegner erledigen. Das Pacing des Levels ändert sich dabei enorm. Anfangs intime Auseinandersetzungen in einem zerstörten Dorf können sich in knallharte Scharfschützengefechte verwandeln, bei denen es nur einen Sieger gibt.
Objective Raid erinnert an Counter-Strike. Bomben legen oder selbiges verhindern. Nichts Aufsehenerregendes. Auch hinter Sector Control steckt im Prinzip der klassische Conquest-Modus. Als Alternative bestimmt ganz nett, aber im Vergleich zu Combat Mission eher langweilig. Die Karten wirken dagegen bisher äußerst gelungen. Besonders beeindruckend war deren Vertikalität. Ihr müsst Hügel erklimmen, euch durch Serpentinen kämpfen und in Höhlensysteme vorarbeiten. Spannend. Leider konnten wir mangels Server nicht alle Karten ausprobieren, das Beta-Material war aber hervorragend.
Bleibt nur die Frage, ob man diesen Zwitter aus Bad Company 2 und Modern Warfare überhaupt benötigt. Ich für meinen Teil freue mich über frischen Kartennachschub und das etwas andere Gunplay. Die punktgenauen Treffer, die blitzschnellen Reaktionen und die Vereinfachung der Spielmechanik führt meiner Meinung nach zu einem vollkommen anderen Spielgefühl.
Wohltuend erinnern mich die Gefechte an das pixelgenaue Geballer aus Counter-Strike. Die Spezialattacken, das reduzierte Ausrüstungssystem und selbst die fehlende Waffenballistik machen nach ein paar Stunden einfach Sinn. Außerdem unterstützt DICE nicht nur dedizierte Server, sondern auch Punkbuster. Cheater werden es also deutlich schwerer haben. Ob das Endergebnis besser ist als Black Ops, wage ich zu bezweifeln. Trotzdem ist der Multiplayer in der jetzigen Form absolut konkurrenzfähig.
Gar nicht so schlecht für den Anfang einer neuen Ära. Der mutige Schritt in Richtung Authentizität, ein kompetenter Multiplayer und die solide Action katapultieren den Titel auf Anhieb in die erste Liga. Wer sich vergleichsweise realistische Militäraction in einem aktuellen Szenario wünscht, kommt an Medal of Honor kaum vorbei. Okay, Call of Duty liefert mehr Bombast und Bad Company 2 den besseren Multiplayer, doch unterm Strich beweist Electronic Arts, dass sie es Ernst meinen. Allein die vielen kleinen Skriptfehler, die zum Teil schwachen Texturen und der geringe Umfang sorgen bei der Kampagne für Kopfzerbrechen. Zugegeben, Call of Duty ist auch nicht länger, aber im Gegensatz zu Medal of Honor gibt es dort noch einen Koop-Modus.
Der Mehrspieler-Part ist dagegen klar Geschmackssache. Technisch und spielerisch kompetent, gibt es Probleme bei der Positionierung. Ihm fehlt sowohl die Größe der Inhouse-Konkurrenz wie auch die taktische Finesse des Activision-Angebots. Wer sich darauf einlässt, wird ganz sicher jede Menge Spaß haben, doch letzten Endes wird er bei vielen Spielern nur als Lückenbüßer dienen, bis Black Ops und Battlefield: Bad Company 2 – Vietnam erscheinen. Um also wirklich den Shooter-Thron zu erobern, muss Electronic Arts beim nächsten Mal in wirklich allen Bereichen nachlegen. Der Grundstein ist gelegt, mal sehen, was die nächste Renovierung bringt.
Medal of Honor erscheint am 14. Oktober 2010 für Xbox 360, PC und PS3.