Need for Speed: Nitro
No shift, short boost
Mindestens einen Sympathiepunkt sammelte Need for Speed: Nitro schon am ersten Tag seiner Konzeption. Man hätte alte Fehler erneut begehen und eine herunterkomprimierte, abgespeckte und durch und durch furchtbare Wii-Edition von SHIFT herausbringen können, die die Stärken der Nintendo-Konsole genauso ignoriert wie seine Zielgruppen. Stattdessen geht Nitro in eine völlig andere Richtung und verspricht spaßige, kurzweilige Arcade-Rennen. Ganz im Stile alter SEGA-Tage. Abgestimmt auf die Wii, konzipiert und entwickelt nur mit Nintendo im Hinterkopf. Und wisst ihr was? Es hat sogar geklappt.
SHIFT mag seinen neu gefundenen Hang zum Realismus feiern, Nitro setzt komplett auf überdrehte Looks und etwas, das man nur in seinem eigenen, geschlossenen System Physik nennen kann. Weiter können sich zwei Spiele, die zumindest den größten Teil des Namens teilen, kaum voneinander entfernen. Begrüßt euch SHIFT mit klaren Strukturen und elegant-sportlichen Designs, verfolgt Nitro das „In your face, Biatch“ der schlimmsten Underground-Tage, glücklicherweise ohne sich dabei auch nur eine Sekunde allzu ernst zu nehmen. Die Gegner sind überzeichnet und sogar in ihren Mini-Intro-Filmchen sympathische Comicfiguren. Die - nach heutigen Maßstäben muss man das so sagen - gerade mal 30 Fahrzeuge stammen aus realen Ställen, nur scheinen sie in die Formpresse der Micro Machines gefallen zu sein.
Vom VW-Camper und Hummer über Nissan Skyline bis zum Audi TT RS und Lamborghini Reventon bietet die knuffelige Auswahl ein breites Feld, das zwar Grundzüge wie Beschleunigung, Bremsverhalten oder Höchstgeschwindigkeit berücksichtigt, dem aber die feinen Unterschiede komplett abgehen. Warum auch nicht, das hier fährt sich toleranter als die meisten Arcade-Racer der 90er - und die waren schon ganz schön leger, was das anging. Ein Camper hängt eine Corvette ab? Klar, kein Thema, sofern sie ungefähr in der gleichen Liga fahren. Spätestens der namensgebende Nitro-Boost reißt es raus.
Boosting gehört hier nicht zu den Extras, es geht gar nichts ohne. Je nachdem ob ihr einfach nur fahrt oder wilde Überholmanöver startet, lädt sich der Balken langsamer oder schneller auf. Zu jeder Zeit, sobald auch nur ein Pixel Nitro im Tank ist, löst ein leichtes Wacklen den Overdrive aus und ihr beschleunigt… nicht allzu gewaltig und unrealistisch, aber es ist das gewisse Extra, das den Sieg ausmacht und niemals ignoriert werden darf.
Ohne Nitro werdet ihr euch auch schwer tun, den Cops zu entkommen, die am sich am liebsten um den kümmern, der gerade das aktuelle Straßenrennen anführt. Hier nahm man sich eine Anleihe aus Hot Pursuit. Und es würzt das sonst doch etwas zu gradlinige Rennvergnügen mitunter gewaltig, wenn vor euch ein Pulk aus den Plätzen eins bis drei mit diversen Polizei-Hummern um die Wette drängelt und ihr noch eine halbe Runde habt, um durch dieses Chaos zu kommen. Der Einsatz der Ordnungshüter entpuppt sich als eines der erfrischendsten Elemente, trotz möglichen Frustes. Schließlich nimmt man es nicht so locker, dass man den dritten Platz nur einem störrischen und von Zeit zu Zeit auch willkürlichen Cop zu verdanken hat.
Willkür in soweit, dass Geschwindigkeit hier noch relativer sein kann als sonst. Ihr dreht voll auf, habt den Nitro drin. Die Polizei ist trotzdem für eine Sekunde schneller. Wie das geht? Tjaaa… das ist halt manchmal so. Aber Freund und Helfer sind ja nicht in allen Spielmodi vertreten. Der Karrieremodus lässt sich vom Aufbau ein wenig mit den älteren Gotham-Racern vergleichen. In sechs Arealen sammelt ihr Sterne in jedem Rennen. Drei gibt es für Plätze oder Zeiten, bis zu zwei weitere für kniffligere Extraaufgaben, die einen durchaus dazu bewegen können, ein eben gewonnenes Rennen noch einmal zu versuchen.
Neben den üblichen Straßenrennen in Runden findet sich der Klassiker des Eliminators, hier allerdings mit dem Twist, dass nicht jede Runde, sondern schon alle 30 Sekunden der Letzte verschwindet. Speed-Kameras, Drag- und Drift-Rennen sowie ein paar Time-Trials sorgen für erstaunlich viel Variation, die ein wenig das einmütige Fahrmodell kaschieren und auch dazu anregen, mal nicht Bumper-Car zu fahren. Punkte gibt es für gute Manöver nämlich nur, solange ihr nicht die Leitplanke zum Lenken nutzt. Auch lohnt es sich, im sehr lichten Tagesverkehr normalen Autofahrern auszuweichen, da dies sonst euren Wanted-Status erhöht und sich die Polizei dadurch schnell nur noch um euch zu kümmern scheint.