Skip to main content

Operation Flashpoint: Red River

Besser als gedacht

Niedrige Erwartungen sind doch etwas Herrliches. Nach der fiesen Vorschau-Version mit einem grenzdebilen, ständig fluchenden Staff Sergeant Knox, strunzdoofen Gegnern, langweiligen Leveln und vielen nervigen Bugs sah Operation Flashpoint: Red River nach einem veritablen Flop aus. Doch was für eine Überraschung: Kaum hatte ich die Vollversion eingelegt und die ersten zwei bis drei Abschnitte hinter mir gelassen, konnte sich der Titel kontinuierlich steigern. Bis zu dem Punkt, an dem sich der Taktik-Shooter besonders mit ein paar menschlichen Mitspielern und auf dem technisch deutlich stärkeren PC zu einem überraschend soliden Endprodukt entwickelte.

Und könnte man das doofe Gesabbel des Zugführers abschalten, wäre er sogar noch besser. Mit steigt immer noch jedes Mal die Galle hoch, wenn er mir seine dämlichen Knox-Gebote um die Ohren haut. Am liebsten würde ich ihm seine Verhaltensmaßregeln für das Schlachtfeld in Form eines großen, eckigen Schildes quer in seinen nervigen Hintern rammen. Doch zum Glück hält das wandelnde Tourette-Syndrom im Laufe der Kampagne die meiste Zeit die Klappe. Nur bei den häufigen, leider nicht abbrechbaren Fahr- und Flugsequenzen zwischen den Einsatzgebieten muss man auf Durchzug schalten. Während der Gefechte hat man dagegen weitestgehend seine Ruhe.

Das Militärjargon samt seinen Lobgesängen auf den Marine Corps, abfälligen Bemerkungen über die tadschikischen Rebellen und das ständige Hooray-Gebrülle liegt mir zwar auch nach acht Stunden Kampagne schwer im Magen, aber so ähnlich geht es wohl zu, wenn man die Generation Kill in den Einsatz schickt. Unrealistisch ist das ganz sicher nicht und sorgt in den Missionen auf jeden Fall für eine stimmungsvolle Schlachtfeld-Atmosphäre.

Storytechnisch hat Red River dagegen kaum etwas mit seinem Vorgänger gemeinsam. Anfangs versucht ihr, in Tadschikistan eine Taliban-nahe Rebellen-Truppe auszuschalten. Ihr kämpft also vor allem gegen Turban-Träger und altes russisches Militärmaterial. Im Laufe der Story wird dann aber auf mysteriöse Weise China mit in den Konflikt gezogen und ihr müsst mit einer modernen, hochgerüsteten Armee zurechtkommen, die euch zu Beginn ganz schön den Arsch versohlt.

Operation Flashpoint: Red River - Gameplay-Video

Passenderweise gewinnt das Spielgeschehen mit dem Angriff der Chinesen an Tiefe. In einem wirklich brutalen Rückzugsgefecht mit mehrfach gestaffelten Verteidigungslinien lernt ihr nicht nur etwas über Militärtaktik, sondern auch über den brutalen Alltag eines Soldaten. Mit einer echten Militärsimulation hat der Titel gerade auf „Normal" zwar wenig zu tun, doch als Taktik-Shooter schlägt er sich ganz gut. Und dass, obwohl die KI eurer Kameraden auch ohne Stellungsbefehle eigentlich einen guten Job macht. Nur wenn man wirklich niemanden verlieren möchte, muss man hier selbst Hand anlegen.

Richtig interessant wird das Ganze aber dann erst auf Hardcore. Ohne Anzeigen und mit härteren Gegnern verwandelt sich jedes Kuhkaff in eine Mausefalle. Nur schade, dass die Jungs von Codemasters hier sogar auf einen Kompass verzichtet haben. Den hat nun wirklich jeder Soldat zur Hand und ohne ihn bringen einem die Gegneransagen im Militärjargon samt Himmelsrichtung nur bedingt etwas. Trotzdem eine Erfahrung, die man nach einem ersten Durchgang auf „Normal" auf jeden Fall mal wagen sollte. Dann weiß man wenigstens, wo man hin muss und sucht sich nicht auf der Karte die Finger wund.

Und auch das Leveldesign passt. Nach den wirklich komplett öden ersten beiden Missionen mit viel Sand, ein wenig Sträuchern und noch mehr Lehmhütten wird es dann später mit weiten Steppenlandschaften, einem Staudamm und einer russischen Stadt sogar richtig abwechslungsreich. Hier glänzt auch das Missionsdesign und überrascht durch spannende Stellungskämpfe und flexible Frontverläufe. Es gibt zwar immer wieder einzelne Aussetzer und auch der Schwierigkeitsgrad könnte zum Ende hin etwas höher sein, aber unterm Strich viel besser als es anfangs den Anschein hatte.