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Overlord II

Bösartig

Update: Lest auch unsere Komplettlösung zu Overlord 2.

Zuerst sollte dieses Review ganz anders starten. Es sollte die Frage stellen, wie viel Geschick man dem Spieler am Pad eigentlich legal abverlangen kann.

In ungefähr Stunde Zehn von Overlord II sollt ihr eine Abfolge von Schalter an der Wand drücken, indem ihr mit einer Gruppe von Spinnen darüber wandert. So weit, so einfach. Die erste Runde zeigt euch, wie es geht. Die zweite fordert euch, aber es bleibt locker. Ein Fehlversuch, dann klappt es. Die dritte verlangt die perfekte Runde. Der dritte Schalter wurde so verbaut, dass ihr die ersten beiden ohne jeden Zeitverlust erwischen müsst. Müsst. Nicht besser solltet, sondern ohne Frage, Diskussion und Wenn und Aber müsst.

Zumindest glaubte ich genau das und versuchte es hartnäckig für 90 Minuten, unter Verwendung aller mir bekannten Schimpfwörter. Ein paar neue habe ich sogar erfunden, um Abwechslung zu haben. Dann schaffte ich es. Sieg. Aber was sollte das? Ich wollte einfach nicht glauben, dass man dem Spieler das abverlangen kann. Also begann ich am nächsten Tag, und nach ein paar Stunden Schlaf etwas ausgeruhter, mein Gehirn einzuschalten. Und siehe da: Postiert einfach ein paar eurer Spinnen-Minions im Voraus auf den Schaltern und befielt ihnen, dort zu warten. Dann startet den Run mit der einzelnen Spinne neu. Sie muss die Schalter nicht mehr erwischen, die anderen halten sie ja bereits gedrückt. Die Sache war nach zwei Minuten gegessen. Aus dieser Erfahrung lernte ich drei Dinge.

Erstens: Ich bin ein Held am Pad. Wahrscheinlich dachte Codemasters, dass dies so gar nicht zu schaffen wäre und ich habe es trotzdem gepackt.

Zweitens: Die meisten Helden sind Idioten und ich keine Ausnahme.

Drittens: Overlord II ist eines der am clever designtesten Spiele der letzten Zeit. Ihr könnt jede Aufgabe mit Gewalt und Geduld irgendwie lösen. Es geht fast immer auf dem direkten Weg. Mit herben Verlusten, Zeitaufwand und Schmerzen. Aber sobald ihr merkt, dass es so läuft, macht ihr eigentlich etwas falsch. Schaut euch alle Möglichkeiten an, erkundet die Umgebung, denkt nach. Und dann werdet ihr eine gute Lösung finden. Die Richtige. Aber nicht die Einzige.

Overlord II - Trailer

Overlord II verbesserte sich in fast allen Punkten gegenüber seinem schon beachtlichen Vorgänger. Ihr schlüpft immer noch in die Rolle des bösen Superherrschers, der seine Drecksarbeit nach Möglichkeit nicht selbst erledigt, sondern seine kleinen, goblinartigen Minions ausschickt. Von diesen steuert ihr in ganzes Pack - ich hatte zum Ende fünfzig, kann sein, dass sich noch mehr freischalten lassen - in Situationen wie der oben geschilderten direkt mit dem rechten Stick. Das klappt wunderbar, nur sobald echte Präzision gefragt ist, wird es mitunter ein ganz klein wenig hakelig, wenn auch weit weniger als zuvor.

Und wie auch schon sein Vorgänger bietet Overlord II beste Fantasy aus der eher ungewöhnlichen Perspektive des Bösen. Hier wählt ihr beim Umgang mit einem kaltgestellten Widersacher nicht zwischen Vergebung und Tod, sondern zwischen Tod oder Versklavung plus Spott als Erniedrigungs-Doublewhammy. Knechtet ihr das Dorf oder fackelt ihr es in Grund und Boden? Es einfach zu befreien und in Ruhe zu lassen, ist keine Option. So baut man keine bösen imperialistischen Reiche auf.

Es ist ein Reich des Bösen, diesmal wirklich und ohne Widerspruch. Und dass das Böse schon im Kinde steckt, zeigt der wundervolle Einstiegslevel, in dem ihr fröhlich andere Kinderchen ärgern müsst - nur das, nichts weiter, wir sind immer noch Menschen - und nebenbei das Dorf zerlegt, um den Minions zu beweisen, dass ihr das Zeug für den nächsten Overlord habt.

Overlord II erzählt dabei seine Geschichte mehr im Rahmen einer großen, zum Ende hin immer interessanter werdenden Queste als einem unzusammenhängenden Feldzug. Hatte man vor zwei Jahren noch das Gefühl, einfach einen Stage nach dem anderen abzugrasen, wirkt die neue Welt weit homogener. Die Aufgaben gehen fließend ineinander über und weit seltener kehrt ihr in eure Basis zurück.