Planetary Annihilation - Test
Wenn die UdSSR Star Wars gedreht hätte…
Es beginnt so, wie es fast immer endet: mit einem gleißenden Feuerball. Mein mehrere Häuser hoher Kommandanten-Mech schlägt in einer tödlichen Wolke aus Licht und Trümmern auf dem hoffentlich unbewohnten Mond ein. Noch bevor der Staub sich legt, beginne ich damit, Erzminen und Produktionsstätten für weitere Bots zu errichten. Schon in den ersten Sekunden macht sich ein unglaubliches Gefühl von Macht und Gewaltigkeit breit. Mit einem Mal liegt einem ein gesamter Planet zu Füßen, während die geradezu sowjetisch-pompösen Bläser die Landung im akustischen Godzilla-Stechschritt untermalen.
Und dann dreht man das Mausrad ein bisschen zurück, und noch weiter und noch weiter, bis man stufenlos auf einmal ein ganzes Sonnensystem im Blick hat. Auf jedem dieser über die Jahrmillionen rundgeschliffenen Brocken könnte ein gegnerischer Commander gerade genau dasselbe machen wie ihr. Oder schlimmer noch: Er macht es besser. Momente kaum zu fassender Erhabenheit folgen in Planetary Annihilation regelmäßig der fast erniedrigenden Erkenntnis, auch nur ein entbehrliches Rädchen im Getriebe dieses bis zu zehn Parteien umfassenden galaktischen Krieges zu sein.
Planetare Auslöschung? Eher Auslöschung durch Planeten!
Nachdem sich Echtzeitstrategie als Genre in den frühen 2000ern mit gezielt in das Nischendasein gesetzten Wegpunkten an den Rand der Bedeutungslosigkeit produziert hatte, ist es nicht ganz einfach, die Spieler abseits des harten RTS-Kerns wieder an Bord zu holen: Diese Sorte Spiel bedeutet auch immer, sich auf einen Zyklus aus Stress, Gewöhnung und Lernen einzulassen, für den man bereitwillig eine gewisse Aktivierungsenergie aufbringen muss. So lange zumindest, bis einem jemand auf einer Webseite erzählt, dass man in PA ein paar Raketen an einen Mond schnallen kann, um diesen als Kometen wider Willen in den Planeten seines Widersachers zu rammen.
Allerdings sollte man vorweg einwenden, dass sich Uber Entertainments Taktiker in erster Linie an Fans von Mehrspieler- oder Botmatches richtet. Mit "Galactic War" gibt es zwar eine Art Kampagne, die auch Spaß macht. Ohne jegliche Handlung zurrt sie im Grunde aber nur Botmatches mittels eines simplen Meta-Spiels zusammen, bei dem ihr über eine zufällig generierte Sternenkarte von einem System zum nächsten zieht. Interessant ist es dennoch, denn ihr könnt in Sachen Einheiten nicht aus dem Vollen schöpfen, sondern müsst mit dem arbeiten, was das Technologie-Loadout eures Kommandanten hergibt.
Besiegt die KI, wo ihr sie antrefft, um neue Slots für die euch zufällig in die Hände fallenden Technologien freizuschalten. Die beliebige Natur der Drops frustriert manches Mal, weil man Dinge bekommt, die man noch nicht unterbringen kann, oder weil man andere Errungenschaften fallen lassen muss, um etwas Neues einzubinden. Aber der Modus ist trotzdem motivierend genug und nicht zuletzt angemessenes Training für den Rest des Spiels, dass er sich seine Existenzberechtigung redlich verdient.
Dieser Maschinenkrieg ist ein gefräßiges Biest - und es darbt ihm nach Metall.
Auch sonst grenzt sich Planetary Annihilation vom Rest des Echtzeitstrategiefeldes spürbar ab. Selbst ein Spieler, der ein Sonnensystem vollständig dominiert, kann mit einer gezielten Nuklearrakete auf seinen Kommandanten - die eine, überlebenswichtige Einheit - ausradiert werden. Und auch die Struktur des Basenbaus ist ungewohnt: Einen klassischen Technologiebaum gibt es nicht. Land-, Luft-, Roboter-, Marine- oder Satellitenfabrik produzieren jeweils ihre eigenen Bauvehikel, die eine fortschrittlichere Version ihrer Produktionsstätte errichten können. Die fertigt wiederum neben besserem Kriegsgerät ihre persönliche Version des besten Baufahrzeugs. Und das ist nicht nur schneller und effizienter, sondern gewährt auch Zugang zu den mächtigsten Gebäudetypen.
Es klingt ungewohnt, ist in der Hitze des Gefechts aber leichter zu lesen, als wenn man zwischen sieben Dutzend Gebäuden das finden muss, das einem gerade fehlt, um etwas Bestimmtes zu bauen. Uber Entertainment nennt diesen Ansatz "what you see is what you get" und hat recht damit. So baut es sich flott und durchweg angenehm, nicht zuletzt, weil ihr durch Halten der Bautaste und anschließendes Ziehen schon toll vorausplanen und -befehlen könnt, was wo entsteht. Man setzt nicht jedes Gebäude einzeln, sondern gibt ganze Blöcke in Auftrag, befiehlt dann noch den Bau der Luftabwehr, die den Posten sichert, und stellt die Fahrzeugproduktion in der gewünschten Mischung auf endlos. Mit nur wenigen Handgriffen - und nicht zuletzt dank des brillanten Bild-im-Bild-Modus, mit dem ihr gleich zwei Planeten auf einmal im Blick habt - vermeidet ihr in Planetary Annihilation den so tödlichen Leerlauf und arbeitet mit höchster Effizienz.
Womit wir schon beim nächsten Stichwort wären. Eure Ressourcen heißen Metall und Energie, aus eurem laufenden Einkommen dieser beiden errechnet sich euer Effizienzgrad. Ist viel im Bau und sind massenhaft Anlagen im Betrieb, sinkt er und die Produktion gerät parallel dazu aus dem Tritt. Hier gilt es, maßvoll zu expandieren und nicht einfach alles zu bauen, was gerade möglich ist. Stattdessen sollten alle Bau- und Produktionsvorhaben mit Übersicht der Situation angepasst werden. Im Zwei-gegen-zwei(-gegen-zwei-gegen-zwei-gegen-zwei) mit einem Freund im Ohr zu kooperieren, mit optional geteilter oder getrennter Armee vorzugehen und sich abzusprechen, wohin man expandiert und wie man den Sieg herbeiführen sollte, war eines der befriedigendsten Spielerlebnisse in diesem Jahr.