PlayStation Home
Brave New World. Jetzt mit VISA.
PlayStation Home ist da. Hurra. Eine virtuelle Welt, in der man Freunde trifft, mit ihnen abhängt, chattet, shoppt und sich die Zeit weg-entertained. Wo habe ich nur schon mal von so etwas gehört…? Wie hieß es doch nur… richtig, Second Life! Und wir wissen alle, wo das hinführte.
Schuhe, die es nicht gab, für Geld, das sehr real war. Konzernpleiten. Verdrehte Sexspiele. Ehekriege.
...das könnte Spaß machen!
Und noch dazu ist es wirklich kein Aufwand, sich den Client für PlayStation Home herunterzuladen. Nach dem aktuellsten Update prangt der Button prominent über dem Shop im XMB. Einen Klick und lächerliche 77 Megabyte später geht es auf in Sonys heile Welt.
Und hier dürft Ihr endlich sein, was Ihr seid, vielleicht noch nie sein wolltet oder Euch einfach nicht leisten könnt: Ein hipper Mitzwanziger in Designer-Casual-Klamotten. Offensichtlich wollte man den Freak-Anteil in engen Grenzen halten und das nonkonformste ist ein schön spitzer Iro. Und seit Tokio Hotel kann man den eigentlich auch nicht mehr so richtig als Indie ernst nehmen.
Mit dem aus zig Sportspielen hinlänglich bekannten Muster eines simpel zu handhabenden Editors setzt Ihr Nase, Augenhöhe und Körpergröße fest. Die magere, auf ein paar Shirts und Baggies reduzierte Auswahl an Kleidungsstücken bietet wenig für den Nicht-Stammkäufer von Ecko Unlimited. Nur dass hier noch die Aufdrucke fehlen und so ein Sammelsurium der Aussagefreiheit das virtuelle Barbiepuppenspiel anfänglich stark einschränkt.
Mein eigener Biker mit Bauchansatz und Sonnebrille – das weitestgehende Extrem, das hier möglich schien – fand sich Sekunden später in einem Apartment wieder, das die feuchten Immobilienträume der vorher im Outfit schon stark verdeutlichten Zielgruppe wahr werden lässt. Ob Ihr selbst nun in Platte oder Villa haust, spielt keine Rolle, hier gibt es nur Luxus-Neubau-Condos, die einen traumhaften, Sonnen überfluteten Yachthafen überblicken. Fast so wie im letzten Spanienurlaub, nur mit weniger Fischduft.
Der Blick vom Balkon mag hübsch sein, sobald er ins Innere des Apartments streift, wird es schnell und deutlich nüchtern. Kahle Wände, ein paar Sitzgelegenheiten in Ikea-Weiß und ein Tisch. Gut, dass es auch eine Tür gibt, diese Tristesse wollt Ihr schnell verlassen. Wagen wir uns also in das erste Areal, den Home-Plaza.
Sobald Ihr ein neues Gebiet besuchen wollt, muss Home es herunterladen. Mit den bisherigen Ausmaßen zwischen 30 und 50 Megabyte lässt es sich im Zeitalter von DSL ganz gut leben. Wer auf keinen Fall nur warten möchte, kann diesen Download auch in den Hintergrund verschieben und bis zur Fertigstellung noch im aktuellen Gebiet verweilen. Ein solides System, gut umgesetzt und die Server waren überraschenderweise nicht nur verfügbar, sondern lieferten auch im Eiltempo. Genug Platz werden neue Downloads stets haben. Schon zu Beginn reserviert sich Home stolze 4 Gigabyte, was einen Ausblick darauf gibt, wie viel Material hier noch folgen wird.
Auch auf dem Home-Plaza scheint die Sonne auf einen Platz, der ganz gut in eine Asimovschen Heile-Welt-Zukunft passen würde. Nur ohne die Roboter. Alles scheint betont modern artifiziell, dabei aber realistisch und mit viel Grün und Wasser als Kontrast zu dem vielen Sichtbeton, Glas und Stahl. Würde ich nicht in der Nähe des Potsdamer Platzes und Hauptbahnhofs wohnen, wäre ich jetzt beinahe beeindruckt.
Hier trefft Ihr das erste Mal auf andere Menschen, auch wenn ihr Anblick Euch in der ersten Sekunde erschrecken mag. Es dauert ein paar Sekunden bis Minuten, bis alle Kleidungs- und Gesichtsvariationen geladen wurden und bis dahin machen durchsichtige Geistgestalten die Umgebung unsicher. Für diese Momente vermittelt Home den Charme einer überfüllten, futuristischen Geisterstadt und Ihr solltet den Augenblick wertschätzen. Purzelten erst mal die Texturen nach, wird die Uniformität unsrer neurotischen Individualitätssucht deutlich.
Alle tragen total hippe Frisuren zu total indie-mäßigen Outfits und keiner hat was zu sagen. Jedenfalls wenig, was über „Hallo!“ und „You are gay!“ hinausgeht. Und dabei macht es das Interface doch so einfach, die volle Bandbreite einer Art prä-lingualen Cro-Magnon-Kultur zu ergründen. Mittels Schultertaste ruft Ihr ein Gesten-Menü auf, in dem Ihr zuerst die vage Richtung angebt – Freude, Verärgerung, Zustimmung, Ablehnung – und anschließend eine spezifische Bewegung pickt. Die geschätzt 30 Bewegungen zum Start bieten das übliche Spektrum von „in die Hände klatschen“ über „Faust schütteln“ zum „Pistolenschießen mit den Fingern“ hin. Mein innerer Wunsch, Leuten den Finger zu zeigen, konnte ich nicht erfüllen, aber davon abgesehen ist es ein solides System.
Die zweite Schultertaste ruft eingetütete Kommentare wie „Hallo!“ oder „Woher kommst Du“ auf, während Ihr komplexe Fragen zur Ergründung der sexuellen Ausrichtung entweder per Pad oder USB-Tastatur eintippt. Letzteres solltet Ihr übrigens schnellstens bereit legen, sofern Ihr Home wirklich als Chatroom nutzen wollt. Oder noch besser, Ihr greift sofort zum ebenfalls unterstützten Headset.