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Project Natal

Casual-Sintflut oder sinnvolle Evolution?

Microsoft macht jetzt auch in Sachen Bewegungserkennung. Doch während die erwiesenermaßen eher hartkernige 360-Fangemeinde jetzt schon ein Wolfsgeheul ob der befürchteten Sintflut an anspruchslosen Zappelspielchen anstimmt, sollte man sich einmal die Zeit nehmen, sich das Gerät genauer anzuschauen. Ist es wirklich nur "EyeToy 2.0" oder doch "die Geburt der Next-Generation des Heimentertainments" (Shane Kim). Was kann Natal bislang und was wird es irgendwann mal können? Und was die Hardcore-Spieler noch viel mehr interessieren dürfte: Ist es denkbar, dass Natal - neben dem von MS so herbeigesehnten Abbau von Barrieren für Nichtspieler - eventuell auch etwas für die Entwicklung klassischer "Spieler-Spiele" tut?

Die Technik - Zwei Augen und ein Ohr

Dazu sollten wir uns erst einmal ansehen, was drinnen steckt, in Project Natal. Die Magie passiert in einem etwas über 20 Zentimeter breitem Gehäuse, das ähnlich der Wii-Sensorleiste quer unter oder auf dem Fernseher platziert wird. Die Blickrichtung darf mithilfe eines Kugelgelenks oberhalb der kreisrunden Basis arretiert werden.

Laut Firmenangaben stecken in dem Kasten eine RGB-Kamera, eine 3D-Tiefenkamera (Tiefensensor), ein Multi-Array-Mikrofon und ein spezieller Prozessor, der eine proprietäre Software betreibt. Dessen Arbeit wurde auf den E3-Präsentationen allerdings noch an einem angestöpselten PC erledigt, der etwas abseits stand. Microsofts Alex Kipman hat im Gespräch mit Eurogamer aber bestätigt, dass man keinerlei Rechenprozesse an die Xbox 360 auslagern werde, sondern dass "all die Magie in dem Kasten passiert."

Während wohl jeder weiß, was eine RGB-Kamera ist, ist der Tiefensensor etwas komplizierter. Er besteht aus einem Infrarot-Emitter, der mit einem monochromen CMOS-Sensor kombiniert wurde. Das bedeutet, dass Natal unabhängig der herrschenden Lichtverhältnisse in Eurem Wohnzimmer in 3D sehen kann. Das Sensor-Mikrofon kann Geräuschquellen orten und überhört geflissentlich störende Umgebungsgeräusche.

Project Natal: E3-Trailer

Das Ziel dieser Geräte-Kombination ist, wie mittlerweile altbekannt, dreidimensionales Ganzkörper Motion-Capturing sowie Gesichts- und Stimmerkennung. Dass das funktioniert, liegt allerdings nicht so sehr an mysteriösen Hardware-Komponenten aus dem All, die niemand bezahlen kann, sondern hauptsächlich in der Software, die an Bord ist.

Denn sie ist schließlich dafür verantwortlich, die Signale, die Natal empfängt, treffend zu interpretieren. Und hier greift Microsoft auf teils schon länger vorhandene Microsoft-Programme zurück, die Gestenerkennung, Skeletal-Mapping (dass das Skelett und dessen Bewegungen eines vor der Kamera stehenden Menschens erfasst) sowie Gesichts- und Stimmerkennung ermöglichen. Es ist also keine Zauberei, sondern "nur" eine clevere Kombination aktuellster Technik.

Die Gegenwart - Die Natal-"Spiele" der E3

Das größte Fragezeichen hinterließen auf der E3 Präsentation fraglos die gezeigten Spiele. Jeder der Verantwortlichen, von Kudo Tsunoda bis Peter Molyneux, gab sein Bestes, klarzustellen, dass es sich bei dem Gezeigten lediglich um Techdemos handelte. Und sie taten gut daran. Denn jedes hatte mit mindestens einem großen "Aber" zu kämpfen. Noch.

Ricochet - Hat Natal den Spieler gescannt und seine Skelettstruktur erkannt, ein Vorgang, der nur ca. zwei bis drei Sekunden dauert, steht ein transparenter Avatar in einigen Metern Entfernung vor einer Wand aus Blöcken. Diese muss man zerlegen, indem man auf den Spieler zufliegende Bälle mit einem beliebigen Körperteil gegen die Wand schmettert.

Das Erste, was man bei Ricochet erkennen konnte - abgesehen davon, dass wohl 80 Prozent aller Videospieler nicht einmal halb so beweglich sind wie die reizende Dame, die das Spiel vorführen durfte - war, dass es alles andere als synchron zu den Spielerbewegungen lief. Ein gewisser Lag ließ jede Aktion des Spielers etwas nachziehen. Das schien zu Beginn der Präsentation nicht so besonders ein großes Problem zu sein. Als aber mehrere schnelle Bälle ins Spiel kamen, wurde die Entkopplung von Bewegung und Bildschirmaktion jedoch mehr als nur deutlich. Chaos brach aus.

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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