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Radiant Silvergun

Flohmarktware

Dieses Spiel besitze ich seit sechs Jahren. Das Saturn dazu sogar noch länger. Gespielt habe ich es kein einziges Mal. Nicht, dass ich es nicht gern ausprobiert hätte, schließlich gilt es als DAS Shoot´em´Up seiner Generation, den späten 90ern. Nein, es ist vielmehr eine dieser Flohmarktgeschichten, die man keinem glaubt, bis man selbst einmal Glück hatte.

Das arme Saturn lag auf dem einen Tapeziertisch in der Mittagssonne halt so mitleidig rum, und auch wenn der Verkäufer mir voller Vertrauen zusicherte, dass es noch gehen würde - "Ick bin ma janz sicha, dit Ding jeht noch subba!" - war ich mir ziemlich sicher, dass dieses "Ding" seine letzte Scheibe vor langer Zeit rotierte. Aber es gab noch eine "Überraschungskiste" mit ein paar Games dazu. Alles für 25 Euro, wie schlimm kann es werden? Daytona kann man ja auch ruhig drei Mal haben.

Er griff aus einer größeren Box wahllos Titel, warf sie in eine kleinere Pappbox und schon da war ich erstaunt, dass bei dem knappen Dutzend auch ein paar Hüllen japanischen Anscheins flogen. Auch zwei PS-One-Games, aber ich wollte den Mann nicht mit solchen Details belästigen. Eine Stunde später kam dann der Herzinfarkt. Neben etwas nostalgischen, aber eher wertlosen Ramsch - Daytonaaaa, Blue Skies I seeeee - hielt ich ein eingeschweißtes Exemplar des wahrscheinlich begehrtesten Saturn-Spiels überhaupt in der Hand. Radiant Silvergun.

Etwas verstaubt, etwas fleckig, aber es war eingeschweißt. Der gute Mann hatte gerade praktisch verschenkt, was je nach Verrücktheit des Sammlers zwischen 150 und 300 Euro bringt. Die Moral von der Geschichte? Die Flohmarkt-Wunder sind rar. Aber manchmal muss man ihnen scheinbar einfach eine Chance geben. So, nach diesem kleinen Alte-Männer-erzählen-von-Früher-Schwenk, wäre dieses Spiel das Geld wert, was man jetzt dafür bezahlt? Nämlich die 15 Euro, die es jetzt auf XBLA kostet? Erstaunlicherweise und in diesem Falle sogar unvorbelastet kann ich sagen, dass dieses Geld für alle Genrefreunde auch nach über 10 Jahren bestens angelegt ist. Aber nur für die, denn das Ding ist hammerhart. Nicht das Schwerste, was ich je spielte, aber wir nähern uns dem Ikaruga-Niveau.

Radiant Silvergun - TGS-Trailer

Radiant Silvergun stammt zwar vom gleichen Entwickler - Treasure -, aber man merkt deutlich, dass die alte Zeitrechnung des Shoot'Em'Ups noch nicht ganz abgeschlossen war. Der Bullet-Hagelsturm, in den Treasure und andere Entwickler die letzten zehn oder so Jahre ihre bunten Anime-Welten tauchten, war noch nicht erfunden, aber die SNES/PC-Engine-Periode mit seinen verspäteten Saturn-Ausläufern kam zu ihrem Ende. Silvergun kann man wohl als das verlorene Bindeglied dieser beiden Abschnitte bezeichnen. Die Schussfrequenz stieg schon teilweise deutlich, die Trefferzone des eigenen Schiffes ist nur noch einen Pixel groß und es gibt genau gestaltete Muster, wie es einen Level zu meistern gilt. Reaktionszeit ist nicht unwichtig, Routine ist aber am Ende alles.

So weit, so Ikaruga, aber Silvergun pflastert den Screen viel lieber mit Objekten als mit Schüssen zu. Nicht, dass es davon zu wenige geben würde, aber ihr werdet hier viele, sehr viele Tode an Fels- und Großraumerwänden finden, fast so viele wie in dem Dauerbeschuss der dort verankerten Kanonen. Das schmälert jetzt nicht die Brillanz dieses Level- und Feindfeuer-Designs. Wie auch Silverguns Nachfolger ist dies eine Symphonie, in der jedes Laserfeuer seine Bedeutung hat und richtig interpretiert werden möchte, um heil durchzukommen.

Vernachlässigt man dies, dann wird man selbst auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad zerpflückt. So schnell, dass die bis auf 10 Leben hochschraubbare und mit 3 Continues versüßte Zahl - Freeplay für Sissys wird mitgeliefert - kaum durch die ersten beiden Stages reichen wird. Von den nächsten vier höheren Härtegraden reden wir gar nicht mal. Ihr könnt ein Spiel wie Radiant Silvergun als Puzzle betrachten. Ihr lernt bei jedem Durchgang ein paar Fallen mehr kennen, lernt damit umzugehen und kommt etwas weiter. Sehr, sehr reizvoll, lässt man sich erst einmal darauf ein, aber sicher nichts für Unerfahrene, die zum Feierabend ein wenig entspannen wollen. Ich jedenfalls wähle dafür selber andere Games.

Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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