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Evochron: Alliance

Fluch-Versuche!

Habt Ihr Euch schon mal Gedanken über den “Urknall“ gemacht? Sicher. Ich auch – gerade in letzter Zeit. Da knallte nämlich völlig unerwartet ein Spiel auf meinen Schreibtisch, von dem ich noch nie gehört hatte. Und dabei ist dieses Game in USA schon seit ziemlich genau einem Jahr auf dem Markt: “Evochron: Alliance“, laut Verpackung eine “echte Space-Sim“, die “volle Handlungsfreiheit & packende Kämpfe“ verspricht.

Kein Urknall, aber die volle Zerbröselung.

Immerhin: ich hab meine eigene Theorie über den Urknall, der bis heute zur stetigen Ausbreitung von Weltraum-Simulationen auf den unterschiedlichsten Videospielsystemen führt. Meiner Meinung nach fing alles an mit David Brabens “Elite“ (1984), vor dem ich damals wegen seiner ungeheuren Komplexität ähnlichen Respekt hatte wie vor dem Olbersschen Paradoxon. Richtig Spaß hat es mir ehrlich gesagt nicht gemacht. Dann kamen so Sachen wie die “Wing Commander“-Reihe, bei denen die Action im Vordergrund stand. Im Gedächtnis blieb mir besonders der dritte Teil (1994), der auf sagenhaft vielen CDs ausgeliefert wurde und Filmsequenzen mit Mark “Luke Skywalker“ Hamill, Malcolm McDowell und Ginger *hüstel* Lynn enthielt. Kapituliert habe ich 1997 vor Derek Smarts “Battlecruiser 3000AD“, das mich mit seinen knapp hundert Tastaturkommandos in die Knie zwang. Da erinnere ich mich nur noch an die peinliche Werbekampagne mit Jo *räusper* Guest, die auch nichts geholfen hat. Meine persönlichen Genre-Highlights waren “Wing Commander Privateer“, “Freelancer“ und “I-War“ – die schafften es in meinen Augen, Komplexität und Spielspaß miteinander unter einen Hut zu bringen.

Warum ich so weit in die Vergangenheit abschweife? Weil mir bei “Evochron: Alliance“ ein Phänomen aufgefallen ist, das es bei anderen Spiele-Genres wohl so nicht gibt: “Einzelkämpfer“ setzen sich hin und wollen fast im Alleingang das All-umfassende Weltraumspiel entwickeln – so wie Blofeld, Dr. Evil und Feinfinger ihre Weltbeherrschungspläne verfolgen. Auch “Evochron: Alliance“ ist so ein Fall, hervorgegangen aus dem Hobby-Projekt eines Space-Sim-Enthusiasten. Mittlerweile hat das Spiel zumindest in den USA eine treue Schar von Anhängern, vereinzelt finden sich sogar jetzt schon deutschsprachige Postings in den Foren der “Evochron“-Community. Das junge Berliner Label “The Games Company“ will das Underground-Game, das bislang hauptsächlich über Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitet worden ist, nun einem größeren Publikum zugänglich machen. Ein bemerkenswerter Schachzug in einer Zeit, in der eher massentaugliche Stromlinienform als Pioniergeist den Erfolg eines Spiels bestimmt.

Abflug mit Hindernissen

Wer sich zu früh in die Kampagne wagt, wird von feindlichen Jägern schnell zu Weltraumschrott verarbeitet.

Aber halt! So einfach losfliegen und in fremden Galaxien die Schiffe finsterer Raumpiraten zerbröseln, das geht nicht in “Evochron: Alliance“. Wer sich denkt, “Ach, ich stürz´ mich gleich mal auf die Kampagne!“, wird im virtuellen All mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit die ersten fünf Minuten nicht überleben. Was zuerst nur ein paar unscheinbare rote Kreise auf dem Head-Up-Display sind, nähert sich mit rasantem Tempo, und bevor Ihr noch richtig erkennen könnt, wie die gegnerischen Jäger eigentlich aussehen, verwandelt sich Euer schwach bewaffnetes Raumschiff auch schon in einen Feuerball. Noch ein, zwei weitere Versuche gefällig? Nein, so macht das irgendwie keinen Sinn.

Also doch erst mal ein Blick ins Tutorial werfen. Aber was geht denn da ab?! Na gut, zuerst erklärt Euch eine monotone, manchmal kaum verständliche Stimme, wie Ihr Euer Schiff durchs All bugsieren könnt – beschleunigen, nach oben, unten, rechts oder links abdrehen, Navigationskonsole bedienen – und es geht weiter, die Erklärungstexte werden immer länger. Es folgt ein Bombardement mit Tastaturkürzeln, aber ausprobieren könnt Ihr im Tutorial herzlich wenig. Learning by doing sieht anders aus. Es sind zwar nur etwa halb so viele Befehle wie damals bei “Battlecruiser“ und man darf in “Evochron“ auch Joystick oder Gamepad zur Hand nehmen. Trotzdem werdet Ihr noch so manchen Bildschirmtod sterben, bis Euch die Steuerung mal in Fleisch und Blut übergegangen ist. Eine Schnellreferenz der Befehle wäre halt nett gewesen. Ihr schaut im Handbuch nach – Fehlanzeige. Bis Ihr dann das Tastaturlayout als unscheinbare JPG-Grafik im Installationsverzeichnis findet. Wer hat sich DAS bitte einfallen lassen?!

Ein riesiger Frachter dockt an der Raumstation an.

Nachdem es beim ersten Anlauf mit der Kampagne so kläglich in die Hose ging, wage ich nach dem Tutorial einen Versuch mit dem Freestyle-Modus und fühle mich zunächst irgendwie … alleingelassen. Wie soll ich anfangen? Kämpfen scheidet aus, nachdem ich mir da schon die Finger verbrannt habe. Also ab zur nächsten Raumstation in der Nähe des Planeten Sapphire. Nach mehreren Versuchen gelingt es mir anzudocken. Majestätisch langsam fliege ich durch ein gigantisches, sich öffnendes Tor ins Innere der Raumstation und erwarte einen spektakulären Empfang wie auf dem Todesstern. Stattdessen Ernüchterung: Vor mir öffnet sich lediglich eine wenig attraktive Konsole, über die ich mir – das nötige Kleingeld vorausgesetzt – unter anderem alle möglichen Gimmicks fürs Fluggerät kaufen kann. Ich leiste mir erst mal einen Schürfstrahl, mit dem ich die umliegenden Asteroidenfelder nach Rohstoffen abgrase. Ein mühsames Geschäft, aber leider unumgänglich. Irgendwo muss die Kohle ja herkommen. Glücklicherweise sorgen unterwegs immer mal wieder Begegnungen mit anderen Transportern für Abwechslung, mit denen man ein wenig um die kargen Waren im Frachtraum feilschen kann.