Rockstar Games präsentiert Tischtennis
Nur für Scharfschützen
Die Rockstar Studios – oftmals als die Bad Guys der Branche angesehen - wurden nicht gerade ernst genommen, als sie Anfang 2006 ein Tischtennis-Spiel für die Xbox 360 ankündigten. Das heißt: Man glaubte ihnen zwar, dass die Paddle-Schwingerei kommen würde, nur einzuordnen wusste man diesen Ausflug ins Reich der Randsportarten nicht so recht. Als es dann so weit war, hat niemand mehr gelacht. Nicht einmal ein Schmunzeln kam den Skeptikern über die Lippen, denn Rockstar Games präsentiert Tischtennis war eine ganz ausgezeichnete Simulation geworden. Vielleicht ein bisschen knapp im Umfang, aber dafür ein Musterbeispiel an Schwung, Spielgefühl und Kontrolle.
Ungefähr zu dem Zeitpunkt, an dem der Wii sich anschickte, Bewegung ins (Video-)Spiel zu bringen und das bislang doch recht vorhersehbare Next Gen-Wettrüsten um eine interessante Facette zu bereichern, wurden erste Stimmen laut, Tischtennis wäre doch das perfekte Spiel für die Bewegungskontrollen des neuen Nintendo-Kastens. Hätte es eine Petition darüber gegeben – ich wäre einer der ersten gewesen, der seine Unterschrift darunter gekritzelt hätte. Der Tag der Wahrheit kam aber von ganz allein. Letzten Samstag. Bei einem Freund zu hause.
„Tischtennis?“ „Gute Idee!“. Mit wenigen Handgriffen wandert der Wii-Mehrspielerabende bereits gewöhnte Couchtisch zur Seite, die Kaffeebecher bringen sich fast von selbst in Sicherheit und selbstverständlich werden auch die Handgelenksschlaufen angelegt – man kann ja nie wissen. Ich wähle Liu Ping und mein rauschebärtiges Gegenüber den selbstverständlich blonden Schweden Jesper.
Die ersten Ballwechsel fühlen sich noch ungewohnt an, doch schon nach einer Weile überlasse ich die Steuerung des Spielers dann bereitwilliger der zuverlässigen CPU (Standard-Einstellung, die Nunchucks bleiben zunächst in der Vitrine) und kann mich deshalb voll auf die Ausführung meiner Schläge konzentrieren. Und da ist er wieder, der bekannte Tischtennis-Flow: wenn die Hallenlichter sich verdunkeln, der Spot angeht und die Elektro-Beats die beiden Athleten während des immer länger werdenden Ballwechsels in Trance zu versetzen scheint, versinkt man nach wie vor in dem Spiel.
Egal, ob ich den Ball mit einer ausgedehnten Aufwärtsbewegung nach links lang und cross spiele oder mich für einen Longline ins vordere Halbfeld entscheide: Ich mache das Spiel. Jesper kommt nicht aus der Bediener-Rolle heraus, pariert aber immerhin tapfer schon zum – ungelogen – 37. Mal. „Tolles Match“ denke ich noch, bis ich – schon ein bisschen außer Atem – einen kurzen Blick nach links werfe. Carsten tut nichts weiter, als mit der Fernbedienung virtuelle Nägel in noch virtuellere Holzklötze zu hämmern. Ab diesem Moment ward besagter Flow nicht mehr gesehen.
Das Problem des Wii-Tischtennis ist das Gleiche, das schon EAs 2007er Tiger Woods auf Nintendos-Sportkonsole zum Bunker-Urlaub werden ließ: Der Schwung der Wiimote wird vom Programm nicht eins zu eins ausgelesen. Es ist vollkommen egal, ob Ihr Vorhand oder Rückhand schlagt, und selbst der Spin wird nicht über Eure Bewegungen, sondern über das Steuerkreuz gewählt. Ihr sollt den Schlag nur einleiten und zielen. Und mit etwas Übung funktioniert es tatsächlich meistens, die Richtung und Länge des Balles durch die Schlagbewegung vorzugeben. Eingabe und Schlag, Aktion auf und Bewegung vor dem Bildschirm, wirken aber seltsam indirekt und von einander entkoppelt.
Das liegt vor allem daran, dass das Programm Euch dazu ermutigt, Euren Schwung auszuführen, sobald der Gegner geschlagen hat. Denn nur so lässt sich der maximale Spin erzielen. Das Resultat: Trifft der Gegner den Ball schlagt auch Ihr, der Spinrichtung des heranfliegenden Balles schenkt Ihr kaum noch Beachtung – keine Zeit! Der Wiimote-Speaker quittiert Eure Geste mit einem „Wooosh“, dabei erfolgt Euer Schlag erst Augenblicke später.