Sega Rally
It's all about control!
Kennt Ihr die 'It's all about'-Philosophie einiger englischer und amerikanischer Magazine? Die mit dieser simplen, aber fokussierenden Theorie den essenziellen Kern eines jeden Videospiels auf den Punkt bringen? Solltet Ihr! Denn es spielt keine Rolle, ob eine fantastische Story oder motivierendes Gameplay, ob dichte Atmosphäre oder filmreife Inszenierung uns Spieler suchtgleich vor die Glotze fesseln. Fast jedes Spiel hat diese charakteristischen Merkmale, die es auf seine Art und Weise unvergleichlich machen. Die es von der Masse abheben. Die es im Idealfall so einzigartig machen, dass es in der Retrospektive ohne Untertreibung als Klassiker bezeichnet werden muss. Und Ihr werdet mir Recht geben, wenn wir Sega Rally zu diesem elitären Kreis spielbarer Legenden zählen, die sich trotz weniger Fortsetzungen ihren Platz im Videospiele-Olymp verdient haben.
Und warum? Ganz einfach. Jeder der anno 1995 auf dem Saturn mit Sega Rally an den Start ging und seine ersten Runden mit einem Lancia Delta am 'Lake Side' drehte oder mit dem Toyota Celica durch den 'Forest' driftete, kam zu dem fast schon beängstigend eindeutigen Fazit: Beeindruckendes Fahrgefühl!
Oder anders ausgedrückt: 'It's all about control!' Dieses beruhigende Gefühl, mit dem Pad stets die volle Kontrolle über seinen Boliden zu haben. Egal wie lange der spektakuläre Drift auch sein mochte, egal ob feiner Kies oder tiefer Schmodder die Renn-Schüssel hin und her schüttelten, man fühlte sich unbesiegbar hinterm Steuer. Ohne auch nur den geringsten Zweifel, die nächste Kehre perfekt zu erwischen. Arcade-Feeling wie es im Buche steht. Das galt für den Nachfolger Sega Rally 2 leider nur bedingt. Die Dreamcast-Fassung erweiterte das umfangarme Debüt zwar um etliche Strecken und Fahrzeuge, wurde aber wegen der gewöhnungsbedürftigen Steuerung weder Arcade-Fans noch Realismusfetischisten gerecht.
Mit Sega Rally erscheint zwölf Jahre nach dem legendären Startschuss der Serie nun der dritte Teil und macht diesmal fast alles richtig. Man könnte es als eine Art 'Best of'-Episode verstehen, ohne dieser Next Generation-Fassung damit nur ansatzweise gerecht zu werden. Die Legende kehrt zu den spielerischen Wurzeln zurück, greift den Umfang des Vorgängers auf, garniert das Ganze mit kleinen Innovationen und steckt die PS-starke Schlammschlacht in ein optisch überragendes Gewand, das die Geburtsstätte Spielhalle in jeder Kurve widerspiegelt.
Doch immer der Reihe nach. Beobachtet Euch beim Spielen von Sega Rally einmal selbst [Anm.: Nicht, dass das gehen würde]: Ihr werdet ein süffisantes Lächeln auf Euren Lippen verspüren, wenn Ihr Euren Peugeot 206 WRC mit einer kaum zu überbietenden Präzision durch engste Haarnadelkurven zirkelt, Ihr dabei einen konkurrierenden Subaru Impreza überholt, während Ihr schon den perfekten Anbremspunkt für die nächste lang gezogene Linkskurve im Visier habt. Die wunderschöne Lagune zu Eurer Linken, an der eine Herde Elefanten Erfrischung sucht, nehmt Ihr nur schemenhaft wahr.
Mit jedem Rennen nähert man sich Stück für Stück der Perfektion, findet seine persönliche Ideallinie und lernt den optimalen Umgang mit Gas, Bremse und Handbremse, um Runde für Runde die eigenen Bestzeiten zu verbessern. Wie schon in den Vorgängern machen allerdings unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten, an denen vermutlich jeder Geologe seine Freude hätte, dem Fahrer das Leben schwer.
Auf dem Asphalt klebt ein Toyota Celica natürlich besser als auf grobkörnigem Kies, nassem Schlamm oder staubtrockenen Pisten. Dann wird das Rennen schnell zur - zugegebenermaßen Freude spendenden – Driftpartie, während sich vereister Untergrund in der Arktis als Herausforderung für Profis entpuppt. Praktischerweise wählt man vor jedem Rennen die Feinabstimmung des eigenen Fahrzeugs, je nachdem ob die bevorstehenden Prüfungen eher rutschiger Natur sind oder vornehmlich asphaltierte Straßen bieten.