Sengoku
Männer! Ninjas!! Sensationen!!!
Ich brauche dringend, dringend eine Frau. Wenn es geht hübsch, ist aber im Grunde nicht so wichtig, vor allem fruchtbar muss sie sein. Selbstsüchtig, verrückt, stumpft, alles egal, Hauptsache sie wirft schnell ein paar Söhne in die Welt. Denn wenn ich sage, ich brauche eine Frau, dann meine ich natürlich: Ich brauche männliche Nachkommen. Ich bin immerhin schon 52 und wenn es nicht bald Kinder regnet, wird meine Dynastie im feudalen Süd-Westen Japans kläglich enden.
Paradox' Strategiespiele waren immer schon anders als der Rest. Und auch Sengoku zeigt mal wieder, nur weil Strategie draufsteht, muss noch lange nicht ausschließlich Kämpfen, Einheiten bauen und Rohstoffe sammeln drin sein. Natürlich gibt es im feudalen Japan auch Rohstoffe, aber die heißen hier Ehre, Hofstaat und eben Frauen und sind mindestens genauso wichtig wie Infanterie, Belagerungen und Ninjas. Das kann den Hobby-Strategen verwirren und so besteht die Hauptaufgabe zu Beginn darin, herauszufinden, worum es bei Sengoku wirklich geht. Und speziell für Menschen, die noch nie Kontakt mit Paradox-Spielen hatten, sind die ersten Stunden eine Tour de Force voller Missverständnisse.
Dabei ist das Ziel so einfach. Als Spieler übernimmt man die Kontrolle über eine Person. Meistens ist man Herrscher eines Clans, manchmal auch nur Vasall, also Hilfsarbeiter eines anderen Herrschers. Gewonnen hat man, wenn dieser Clan 50% von ganz Japan kontrolliert, 50% der über 350 Provinzen. Eigentlich einfach. Aber nur eigentlich. Denn die Anzahl der zu kontrollierende Provinzen pro Person ist hart begrenzt. Besitzt ein Herrscher mehr, gibt es Probleme. Deshalb verschenkt man sie am besten an Familienmitglieder und Verbündete und behält so indirekt die Kontrolle.
Das bedeutet, dass die Land-Übernahme durch Kämpfe nur der Anfang ist. Denn auch wenn die schöne Japan-Karte immer im visuellen Mittelpunkt steht, sind die Hauptakteure von Sengoku die Personen und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen. Nur Armeen ausheben und angreifen wird mittelfristig nicht zum Erfolg führen. Es gilt, eine Balance aus kluger Hofpolitik und militärischer Planung zu finden. Die wirtschaftliche Seite ist dabei extrem reduziert. Provinzen können nur begrenzt ausgebaut werden und das auch nur in festgelegter Reihenfolge. Was wirklich zählt, ist die Ehre des Anführers. Sie bestimmt, wie andere auf ihn reagieren, wenn er diplomatische Verhandlungen führt. Sie ist auch die Währung, mit der die meisten Aktionen bezahlt werden. Hochzeiten, Bündnisse, Komplotte oder Geiselaustausche. Alles dient den Verhältnissen zwischen den zahlreichen Akteuren und dem langsamen Ausbreiten seines eigenen Einflusses über die Insel.
Was sich eventuell auch noch recht simpel anhört. Ist es aber nicht. Zumindest nicht für eine sehr lange Zeit. Denn aus schwer erklärbaren Gründen verzichtet Paradox bei Sengoku auf ein Tutorial. Stattdessen ist das Tutorial, wenn man es überhaupt so nennen darf, eine Reihe von nüchternen Textfenstern, die sich beim Klicken auf Menüs einblenden. Das war es. Und auch die Menüs selber sind nicht gerade übersichtlich gestaltet: Die Bilder der unzähligen Personen sehen sich alle zum Verwechseln ähnlich, alles ist kleinteilig und hat den Charme von Strategiespielen um 2002 und früher.
Aber es kommt noch komplizierter. Denn beim Navigieren durch die verwirrenden Menüs muss man sich dann auch noch komplexe, ähnlich klingende japanische Namen merken. Diese Tochter Chaco Takahasi von dem Lehnsherr Shiamazu Takahashi will ich von meinen Ninjas fangen lassen - um ihn zu erpressen, ho ho -, man wechselt das Menu, vergisst was (man wird ja auch nicht jünger), sucht nochmal, findet fünf Frauen, die alle Chaco heißen, muss wieder zurückklicken um den Nachnamen zu suchen und entscheidet sich dann doch dazu, den Monitor im Travis-Bickle-Style von Schreibtisch zu treten. Man wird am Anfang nie ganz das Gefühl los, dass das Interface einfach nicht das Richtige für die komplexen politischen Manöver ist. Als ob es jemand in der Paradox-Fabrik vertauscht hat und jetzt gerade irgendwo ein anderes Spiel, ausgestattet mit dem optimalen Sengoku-Menüs, missverstanden wird.