Shadowrun
Online-Hokus Pokus oder fauler Lizenz-Zauber?
Groß war er, der Aufschrei der Fangemeinde des Stift und Papier-betriebenen Cyberpunk-Rollenspiels, als 2005 erste, unbehagliche Gerüchte die Runde machten. Um nichts anderes als einen First-Person-Shooter solle es sich beim neuesten Shadowrun-Videospiel handeln. Als aber wenige Wochen später die offizielle Ankündigung von Fasa und Microsoft offenbarte, dass das erste digitale Shadowrun seit 1993 sogar eine mehr oder weniger reinrassige Arena-Angelegenheit für bis zu 16 Spieler werden würde, war das Getöse unter dessen Jüngern kaum noch zu ertragen - wie konnten sie nur?
Da wurde Geldschneiderei gewittert, der Überschuss an bleihaltigen Ego-Spielen beweint und sogar "Marken-Vergewaltigung" angezeigt. Der überschaubare, aber enthusiastische Mob aufgebrachter RPG-Apostel konnte und wollte einfach nicht glauben, dass ihre liebste Anti-Utopie samt ihrer düsteren Geschichten durch eine, zumindest inhaltlich, substanzlose Ballerei ihres Zaubers beraubt werden sollte. Und sie hatten zumindest teilweise recht.
Der von Fasa eingeschlagene Weg ist weder der naheliegendste, noch der feinfühligste gewesen. Wer sich aber doch vorsichtig an den vermeintlich Unberührbaren herantastet, dem geht spätestens nach dem dritten Abend abwechslungsreichen, unvorhersehbaren und aufregenden Taktierens ein Licht auf: Ein so Magie- und Fähigkeiten-verliebtes Spiel, das noch dazu die Kommunikation- und Teamplay-Flagge derart hoch in den Wind streckt, ist nun wirklich nicht das Schlimmste, was der Marke passieren konnte.
Im Grunde ist Shadowrun nichts weiter als eine Neon-beleuchtete Counter-Strike-Variante mit einer Menge Hokus Pokus: Vor jeder Runde deckt Ihr Euch im Verkaufsmenü mit Waffen, Techs und Magie ein und sucht dann den Triumph über das gegnerische Team. Der Offline-Modus ist gewissermaßen der Blinddarm dieses Spiels: Ein winziges Rudiment, das man irgendwann vergisst und von dem man sowieso nicht so genau weiß, warum es überhaupt noch drin ist. Anders als beim nutzlosen Wurmfortsatz ist im Falle von Shadowrun zwar kein schmerzhafter Durchbruch zu befürchten, die Gefahr sich gegen die Bots zu Tode zu langweilen, ist aber trotzdem relativ akut. Online spielt also die Musik und Shadowrun macht zum Glück auch keinen Hehl daraus.
Dabei fällt zunächst auf, dass für einen ausgemachten Multiplayer-Shooter doch ziemlich wenig Spielmodi angeboten werden: Beim "Raid" verteidigen die Truppen der paramilitärischen Megacorporation RNA Global ein Artefakt gegen die Bergungsversuche der abgeranzten Lineage-Rebellen. Im "Extraction"-Modus müssen dann beide Seiten versuchen, diesen mittig auf der Map gelegenen Flaggenersatz in ihre jeweilige Abholzone zu bringen, und hinter "Attrition" verbirgt sich nichts anderes, als das gute, alte Team-Deathmatch.
Das hört sich jetzt magerer an als es tatsächlich ist: Erstens sind es doch gerade die "Capture the Flag"- und "Deathmatch"-Varianten, die sich im laufenden Online-Betrieb mit Abstand als die Langlebigsten erweisen. Und zweitens kommt es bei Shadowrun nicht so sehr darauf an, welchen Modus man gerade spielt, sondern wie man ihn angeht. Neun eher wenig überraschende Waffen (SMG, Sniper, Shotgun, Rifle und - Überraschung - ein Katana), fünf Tech-Fertigkeiten und sieben Magie-Skills werden von den vier verschiedenen Rassen zur Schau getragen. Das schafft eine Menge Kombinationsmöglichkeiten und somit Raum für spielerische Experimente.
Die Menschen sind in allem so durchschnittlich, dass ihre Geschwindigkeit, Gesundheit und Magiefertigkeiten sogar Max Mustermann zur Ehre gereichen würden. Außerdem erhalten sie mehr Geld und keinen Malus auf Ihre Essenz (Euer Magie-Treibstoff) für das Nutzen von Technik. Die zarten Elfen sind ein wenig Magie-beflissener und schneller - dafür aber auch schneller über den Jordan. Immerhin heilen sie sich ganz von selbst, vorausgesetzt es ist ein wenig Rest-Essenz vorhanden.