SHIFT 2: Unleashed
Like a Virgin
Mit einem Lenkrad lässt sich dann das spektakulärste Feature am besten besten ausreizen: Die Helmkamera. Stellt euch eine Cockpit-Perspektive vor, die nicht an der Scheibe klebt, sondern ein wenig in den Sitz zurückrutscht und so das Blickfeld schon mal ein wenig erweitert. In den Kurven dreht der Pilot dann seinen Kopf leicht in die Lenkrichtung mit, um besser die Strecke einsehen zu können anstatt starr geradeaus zu stieren. Bei schnellen Wechseln wippt der Kopf entsprechend mit, wie das auch im richtigen Leben der Fall wäre. Man muss sich eine Stunde damit auseinandersetzen, anfangs übersteuert man unwillkürlich ein wenig, aber dann wird klar, dass diese Ansicht eine der ganz wenigen echten Revolutionen in einem Rennspiel in den letzten Jahren darstellt. Eine, die man nicht gleich wahrnimmt. Erst dann so richtig, wenn es in ein Rennspiel zurückgeht, das dieses Feature nicht bietet.
Wer es dann wirklich so richtig realistisch haben möchte, schaltet das Fahrmodell auf Elite, alle Fahrhilfen damit aus, die HUD-Anzeigen komplett ab und die Ideallinie weg. Alles was bleibt, sind ein überzeugend nah an der Wirklichkeit liegender Blick aus dem Cockpit und ungefilterter Adrenalinrausch, bevorzugt gegen andere so agierende Spieler online.
Das Fahrverhalten habe ich schon im Vorfeld einmal biestig genannt und dabei bleibe ich. In einem weitgehend positiven Sinne. In SHIFT 2 ist es nicht das ruhige Straßengleiten aus Forza und Turismo. Hier bockt das Auto schon vor dem absoluten Grenzbereich und macht euch schnell klar, dass Lenkmanöver, wie auch kleinste Bodenwellen, bei Tempo 250 durchaus zum Problem werden können. Bei solchen Geschwindigkeiten wird die sonst so breit wirkende Strecke plötzlich sehr schmal und auch dieses Gefühl bekommt SHIFT 2 gut hin. Das macht dann auch die weniger feinfühlige Pad-Stick-Steuerung zum Feind, da man viel zu schnell verreißt und diesen einen tödlichen Fehler landet. Das, plus die am Limit fahrende KI, spornt zu hoch konzentrierten Anstrengungen an und eine Runde auf dem Nürburgring kann einem schon mal wie ein Leben vorkommen. Wird dieses erfolgreich abgeschlossen, dann ist der Jubel größer als vieles, was einem alle Rennspiele der letzten Jahre bieten konnten. Endet es tragisch zwei Kurven vor Schluss in einem Dreher, dann kann man leicht in ein Loch fallen, aus dem heraus man SHIFT 2 nicht mehr so schnell starten möchte.
Um sich dann doch einen kleinen Vorteil herauszuholen, kann man gewonnenes Geld in das Tuning des Autos stecken. Das System erinnert ein wenig an eine optimierte Version der alten Gran-Turismo-Systeme. In den verschiedensten Kategorien von Motorteilen über Fahrwerk und Bremsen bis hin zu Turbos und kompletten Bodyworks lässt sich hier viel und auf den ersten Blick simpel schrauben. Kauft ihr ein Teil, wird es sofort verschraubt. Kauft ihr ein anderes aus der Kategorie, das dieses ersetzt, bekommt ihr das Geld für das alte zurück, sodass ihr keine Verluste macht. Sehr angenehm.
Wer in die Tiefe einsteigen möchte, kann das gerne tun und das sogar lohnend. Die kleinen Veränderungen an der Übersetzung des teuer gekauften und nur in dieser Form verstellbaren Getriebes machen sich durchaus bemerkbar und man kann hier ein ganzes Weilchen spielen. Beim Tuning muss aber darauf geachtet werden, dass das so überzüchtete Auto nicht seine Rennklasse verlässt. Das Spiel warnt davor netterweise, sobald ihr ein „zu gutes" Teil verbauen wollt. Das Problem gibt es natürlich bei optischen Veränderungen nicht, und wer schon in Underground gerne stundenlang an Farbtönen und Decals tüftelte, wird hier entzückt sein. Kaum ein anderes Rennspiel bietet so viele optische Spielereien für die Autos.
Die Auswahl dieser ist beinahe perfekt gelungen, verzichtet auf Füller und fiel mit 140 oder so nicht zu knapp aus. Modern D bis A vertritt, was man in den verschiedenen Preislagen und Seltenheitsgraden auf Deutschlands Straßen findet, für Abwechslung sorgen Muscles, Konzeptwagen, Prototypen und Classics, bevor es in die GT3- und GT1-Klassen der Profiriege geht. Porsches, Ferraris und Mercedes' sind in großer Zahl vertreten, auch die anderen üblichen Verdächtigen kommen zu ihrem Recht und ein paar sehr exotische Spezial-Tuner wurden auch nicht vergessen. Mir sagte der Gumpert Apollo Sport nichts, aber in Tuner-Kreisen ist das wohl eines der heißesten Geschosse des letzten Jahres. Walter Röhrl nannte diesen Wagen „Sehr beeindruckend, um nicht zu sagen: Fast angsteinflößend" und ich schließe mich diesem Urteil einfach mal an. Insgesamt eine sehr ausgewogene und trotzdem spannende Auswahl der verschiedensten Wagen.
Die Streckenauswahl selbst fiel mit über 30 Strecken ebenfalls ordentlich aus, selbst wenn die Hälfte aus SHIFT bereits bekannt ist. Klassiker wie die Nordschleife, Monza und Silverstone sind immer dabei, dass jedoch die ausgedachten Kurse wie London oder das Alpental kaum verändert übernommen wurden, ist ein wenig schade. Auch neue Rennmodi fielen hier keinem ein. Rennen gegen Konkurrenten, Zeit oder beides, dazu ein paar Eliminator-Rennen, das war es. Da diese jedoch für sich dank der Herausforderung immer wieder reizen und auf eine schier unerschöpfliche Masse an Rennen im Meisterschaftsmodus verteilt wurden, stört das wenig. Auch dreht man jetzt zur Abwechslung die eine oder andere Runde bei Nacht, was gerade mit dem hohen Geschwindigkeitsgefühl und dem Adrenalin des Schwierigkeitsgrades für zusätzliche Spannung sorgt. Dank stimmiger Beleuchtung kommt auf jeden Fall auch das richtige Flair auf.