Spider-Man: Shattered Dimensions
Shattered Expectations
„If it ain't broke, don't fix it", lautet ein weiser Spruch: Man soll nicht reparieren, was nicht kaputt ist. Was an den letzten paar Spider-Man-Spielen nicht kaputt war, war das Schwingen und Klettern durch ein frei erkundbares New York. Zugegeben: Viel zu sehen gab es dort nicht und Brot & Butter eures Spielfortschrittes waren mehr gleichförmige, zermürbende Keilereien und Klon-Missionen als den Titeln gut taten. Besonders dem zweiten Spider-Man auf der Xbox verzieh ich damals aber bereitwillig das Copy-&-Paste-Design, sobald ich mich an Peter Parkers Handgelenkskleber wie ein besonders lebensmüder Zirkusartist zwischen den Wolkenkratzern hin und her zappen durfte – und das war eigentlich fast immer.
Der kanadische Entwickler Beenox, bisher eher für die Portierungen diverser mittelgewichtiger Activision-Titel auf PC und Mac bekannt (unter anderem auch der letzten drei Spideys) wollte in seinem ersten eigenen Spiel über die Spinne nun alles besser machen und hat dabei die einzige erwähnenswerte Qualität der Vorgänger – das Gefühl von Freiheit – fast vollkommen aus dem Spiel gekippt. Statt durch eine offene Welt geht es nun durch thematisch unterschiedliche Level. 14 an der Zahl, einen nach dem anderen.
Was für sich genommen nicht so schlimm ist, weil es durchaus eine Straffung des Spielablaufs darstellt und ganz nebenbei noch eine Menge Abwechslung zumindest verspricht, krankt vor allem an viel zu engen Korridor-Passagen, unsichtbaren Wänden noch und nöcher und einem Kletter- und Schwungsystem, das in der Folge nicht immer wie erwartet funktioniert. Oft könnt ihr auch trotz höherer umstehender Gebäude durch den dafür vorgesehenen Doppelsprung mit anschließendem Netzkatapult keine Höhe mehr gewinnen – nur weil das Spiel sagt, dass dies gerade nicht geht.
An anderen Stellen vermittelt euch ein Zeichen, dass ihr hier derzeit nicht schwingen dürft. Mal ist das okay, weil aus dem Kontext des Levels heraus ersichtlich, in anderen Situationen aber, angesichts dieses Helden, eine an Gängelung grenzende Frechheit.
Gleiches gilt für das Klettern. Es gibt in Spider-Man: Shattered Dimensions Wände, die ihr nicht hochkrabbeln könnt. Diese sind nicht etwa gesondert markiert, sondern befinden sich einfach an Stellen, an denen Beenox dachte, dass ihr dort nicht hinwollen würdet. Ihr wollt aber – ab und zu zumindest – oder denkt jedenfalls, dass ihr es wollt. Das passiert eher selten, aber es passiert. Andernorts gibt es Stellen, an denen ihr glaubt, ihr könntet und dürftet auf das Dach eines Hauses, immerhin könnt ihr ja über die Kante blicken. Da ihr auf diese Weise aber dem nächsten Gegnerpulk nicht seine standesgemäße Abreibung verpassen könntet, lässt euch Beenox hier einfach vor eine unsichtbare Barriere krabbeln. Auch hierfür gibt es einige Beispiele in denen gar nicht ersichtlich ist, warum ihr jetzt nicht auf dieses oder jenes Gebäude dürft.
Wenn man sich dann aber mal wie erwartet an einer Wand entlang bewegt, verhaspelt sich Spider-Man häufig, kommt nicht über eine Kante hinaus auf einen Vorsprung oder beginnt an Fensterbänken zu zucken, weil dem Spielcode der „Boden" unter Spider-Man hier offenbar nicht reicht, um seine Orientierung an der Wand korrekt zu errechnen. Und wehe, ihr versucht die Mauer empor bis an die Decke zu klettern. Die nervös umher schwenkende Kamera, die schon im Rest des Third-Person-Abenteuers oft genug nicht im Bilde ist, macht euch besonders hier das Leben schwer. Sie ist sich nicht ganz sicher, aus welcher Richtung sie euren Aufstieg zeigen soll und macht es zusammen mit der relativ zur Perspektive umschaltenden Steuerung unmöglich, einen sauberen Übergang vom Boden bis zur Decke zu klettern. An manchen Stellen habe ich es sogar überhaupt nicht geschafft. Im Licht des vor sechs Jahren bereits mehr als ordentlichen Kletter- und Schwingparts von Spider-Man 2 ist diese Kastration der Bewegungsfreiheit der Spinne einfach bitter.
In den Passagen, in denen Beenox in der Lage ist, euer Verhalten zu steuern oder zumindest vorherzusehen, funktionieren Netze und Klebe-Finger allerdings ordentlich. Nicht toll oder besonders erinnerungswürdig, aber ordentlich. Diese Stellen fühlen sich dann wie eine Befreiung an. Sie machen Spaß und zeigen, wie es sein sollte, oft genug aber nicht ist. Und das nur, weil Beenox aus Spider-Man einen Level-basierten Prügler machen wollte.
Vier verschiedene Spider-Man-Dimensionen werden in steter Rotation durchlaufen, bis sich in Level vierzehn Ultimate Spider-Man, Amazing Spider-Man, Spider-Man Noir und Spider-Man 2099 zusammentun, um Mysterio in einem letzten Gefecht zu stellen. Die Story ist dünn und wird auch wohlwissend nicht in den Vordergrund getragen, wird aber wegen stilvoller Zwischensequenzen, außerordentlich guten englischen Sprechern (im Deutschen gibt es nur Untertitel) und nicht zuletzt Spideys exzellenten bis bewusst schlechten Kalauern vom Spieler immerhin wahrgenommen.