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Split/Second: Velocity

One-Trick-V12-Motor

Auch muss sich Black Rock gehörige Kritik an seinem KI-System gefallen lassen. Das Studio hält große Stücke auf sein Dynamic-Competition-Balancing-System. Dabei soll es sich nach Angaben des Entwicklers nicht um ein schlichtes Gummiband handeln, das das Fahrerfeld zusammenhält. Neben der aktuellen Leistung des Spielers im Rennen wird auch seine aktuelle Platzierung in der Meisterschaft in das Balancing der Konkurrenten mit einbezogen. Bei mir führte das dazu, dass ich nach der ersten Hälfte, die ich mehr oder weniger fast durchgängig auf Gold abgeschlossen hatte, schwierigkeitsgradtechnisch vor eine massive Wand gefahren bin.

Der Knackpunkt ist doch, dass es dem Spieler egal sein kann, wie Black Rock das System tauft. Wenn es dazu führt, dass man trotz immer besserer Leistungen irgendwann nicht mehr in der Lage ist, einen Vorsprung herauszufahren, der reicht, um nach einem Crash nicht automatisch bis mindestens ins hintere Mittelfeld der Fahrer durchgereicht zu werden, ist das einfach nur frustrierend. Und das passiert häufig, weil das Fahrerfeld in Split/Second immer sehr dicht zusammen bleibt. Ganz gleich, wie sehr sich auch die eigene Streckenkenntnis und die eigene Drift-Technik verbessert hat, auf die Ergebnisse in den Rennen wirkt sich das kaum aus, ja sie werden zum Schluss hin sogar eher schlechter.

In diesem Zusammenhang ist es ebenfalls ein bisschen unbefriedigend, dass die CPU-Gegner einen, wenn auch ungewollt, schon mal ganz gerne in die Bande oder in ein Hindernis drücken, weil sie in euch hinein „draften“ oder an eurer Innenseite kleben und damit euren Drift versauen. Leider hat man nicht das Gefühl, als könne man sich für diese Sorte Gefallen revanchieren, denn die KI-lässt sich von Kollisionen mit dem Spielerfahrzeug kaum beeindrucken.

Online sieht all das schon wesentlich besser aus: Der Effekt des Draftens – also des Ansaugens im Windschatten – scheint hier nicht so stark und in der Theorie hat kein Spieler einen unfairen Vorteil. Wer sich hier mit Freunden zu privaten Matches trifft, fährt die aufregendsten Rennen der letzten Zeit. Leider gibt es auch hier gleich mehrere Probleme. Wollt ihr euch in der Online-Rangliste von dem 99. auf den ersten Platz vorarbeiten, müsst ihr das Public Match bestreiten. Hier kann man allerdings keinerlei Einstellungen am Spielmodus vornehmen.

Split/Second - Strecken und Fahrzeuge

Fahrer aller Skill-Klassen werden munter miteinander in dieselbe Lobby geworfen und fahren eine zufällige Streckenrotation mit den Autos, die sie bereits freigeschaltet haben. Da das Spiel seine Fantasie-Fahrzeuge zwischen Lamporghini, Ferrari, Porsche und Aston Martin (sogar einige Geländewagen sind im Aufgebot) während der Karriere aber gerne durch jeweils bessere Modelle ersetzt, sind meistens nur drei oder vier Autos wirklich untereinander konkurrenzfähig.

Erst gestern sorgte das für die lustige Situation, dass ich mit dem besten Wagen im ganzen Spiel gegen sieben Konkurrenten in Einsteigerfahrzeugen antreten musste. Am Ende siegte ich mit 25 Sekunden Vorsprung – ohne dass sich mir hätte Mühe geben müssen. Hier fehlt einfach ein Filter für Fahrzeuge oder die Möglichkeit, dass der Host einer Gruppe den Fuhrpark ein wenig einschränkt. Man wird das Gefühl nicht los, dass dieser Part des Spiels einfach fertig werden musste – zu mehr als dem Gerippe eines potentiell konkurrenzlos spaßigen Online-Modus hat es damit leider nicht gereicht.

Es ist ein bisschen schade: Das herrlich dumme Konzept lässt vor allem in der ersten Hälfte der Kampagne ordentlich die dicken Muskeln eines großen Actionhelden spielen. Die farbenfrohen Strecken zwischen Flughafen, Docks, Kraftwerk, Canyon und Metropole sind mit ihren maßlosen Lichtspielereien eine wahre Ode an die Sonne, überzeugen technisch mit stabilen 30 Bildern pro Sekunde und gewinnen mit ihren nie gesehenen Zerstörungseffekten mit Leichtigkeit die Herzen kleiner, mittlerer und großer Kinder.

Und doch sorgen die angesprochenen Mängel dafür, dass die Eindrücke des Spielers beinahe genauso schnell verpuffen wie die zahllosen Powerplays, die das Spiel so gekonnt zelebriert. Wie beim ächzend umstürzenden Tower auf der Flughafenstrecke verzeichnen Rennspielfans mit Split/Second ein kurzes, drastisches Beben auf ihrer Spiele-Richterskala – nur um anschließend auf anderer Strecke weiterzumachen als wäre nichts gewesen.

Split/Second: Velocity erscheint am 20. Mai für Xbox 360, PlayStation 3 und PC.

7 / 10

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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