Star Citizen: Chris Roberts' Kreuzzug gegen Konsolen
Der Wing-Commander-Schöpfer will PC-Spielen zu neuem Glanz verhelfen und dabei mitmachen sollt ihr auch noch.
Chris Roberts. Der Name steht für Weltraum-Flugsimulatoren, bei denen man eigentlich einen Computer der nächsten Generation gebraucht hätte, weil ihre Grafik alles bislang dagewesene in den Schatten stellte. Er steht außerdem wie kein Zweiter für die Verbindung von Filmen und Computerspielen - dank hochkarätiger Besetzung für die Zwischensequenzen und dem Einsatz neuer Speichermedien wie der CD-ROM. Der kommerziell gefloppte Wing Commander-Film mit Freddie Prinze Jr. in der Hauptrolle, bei dem Roberts für Regie und Drehbuch verantwortlich war, hinterlässt allenfalls eine kleine Delle im Lack des kalifornischen Spieldesigners. Nach 13 Jahren erinnere ich mich sowieso nur noch dunkel an den Film - umso lebhafter aber an die Spiele und was sie für mich bedeuteten.
Zum Beispiel an die weißen Knöchel meiner Hand, um den Joystick gekrampft, während die Energieschilde meines Jägers einer nach dem anderen zu Klump geschossen wurden. An den neuen PC meines Kumpels und den Jubel, als wir nach gefühlten Stunden intensiven Bastelns das CD-ROM-Laufwerk und die Soundkarte unter MS-DOS zum Laufen gebracht hatten und endlich Wing Commander 3: Heart of the Tiger zocken konnten. An die Grübelei während der finalen interaktiven Filmsequenz von Wing Commander 4: The Price of Freedom, in der der Held Christopher "Maverick" Blair (gespielt von Mark Hamill) dem verräterischen Admiral Tolwyn (Malcom McDowell) im Konföderationsrat die richtigen Antworten entgegensetzen muss, um in letzter Sekunde einen Krieg zu verhindern. Und nicht zuletzt an die unzähligen Warentransporte und Kopfgeldjagden im Gemini-Sektor, die ich in Privateer absolvierte. Sogar auf dem SNES hab ich mal Wing Commander gespielt, auch wenn das optisch natürlich nicht mit dem PC mithalten konnte. Alles Erinnerungen, die ich untrennbar mit meiner Kindheit und Jugend als Computerspieler verbinde.
Nach 2003 hörte man in der Spiele-Branche allerdings nicht mehr viel von Roberts. 2001 hatte Microsoft sein Entwicklerstudio Digital Anvil gekauft, das Chris 1996 zusammen mit seinem Bruder Erin nach deren Ausstieg bei Origin gegründet hatte. Die erfolgreiche Weltraum-Flugsim StarLancer ging noch auf das gemeinsame Konto der Brüder, doch während der Produktion von Freelancer kehrte Chris seiner Firma den Rücken, um sich ganz der Produktion von Kinofilmen zu widmen. Für Freelancer war er nur noch als Berater im Boot. Danach: Rauschen auf allen Kanälen.
Jetzt, fast zehn Jahre später, kehrt der Mann wieder aufs glatte Parkett der Computerspiele-Branche zurück. Zu einer Zeit, in der Konsolen, Browser- und Social-Games, Smartphones und Tablets das Geschäft dominieren, will er dem Genre der Weltraum-Flugsimulatoren auf dem PC neue Flügel verleihen.
Star Citizen soll das Projekt heißen. Ein Open-World-Mehrspieler-Universum im Stil von Privateer oder Freelancer soll es bieten. Dabei persistent sein, ohne Ladebildschirme daherkommen und über eine Einzelspieler-Kampagne mit umfangreicher Story verfügen, die man wahlweise auch im Koop-Modus mit seinen Freunden bestreiten kann. Das Spiel soll wie Guild Wars 2 als Boxed Game ohne monatliche Kosten verkauft werden, jedoch über einen zusätzlichen Cashshop verfügen - wobei sämtliche Inhalte auch ohne Geld zugänglich bleiben sollen. Credits für Dollars? Wird es geben. Trotzdem soll Star Citizen nicht in die Pay-to-win-Falle tappen.
In der Einzelspieler-Kampagne geht es um das Schicksal der 42. Schwadron der imperialen Navy, einer Art Fremdenlegion für ganz harte Knochen, die stets an die vorderste Front geworfen werden und die Menschheit gegen zwei invasionsfreudige Alien-Rassen verteidigen. Das Szenario soll ein wenig an das römische Reich und die einfallenden Barbaren erinnern, mit all den innenpolitischen Querelen, die so etwas mit sich bringt. Ob ihr euch während der Einzelspieler-Kampagne ein Vermögen und einen heldenhaften Ruf erwerbt oder euch abseits davon als Händler, Söldner, Pirat oder Forscher im freien Universum verdingt, soll euch allein überlassen bleiben.
"Im Prinzip kombiniere ich alle meine Spiele mit Star Citizen in einem einzigen Titel: Wing Commander, Privateer, StarLancer, Freelancer - die besten Elemente aller meiner Spiele. Star Citizen soll eine neue Marke werden, wie man sie nicht alle Tage erlebt," so Roberts vollmundig bei einer Vorab-Präsentation in München.
Das klingt ja alles nicht schlecht, aber kann so ein Konzept heutzutage überhaupt noch funktionieren? Schließlich tummeln sich bereits andere große Fische wie EVE Online in diesem Becken. Erst vor Kurzem wurde Gamigos Black Prophecy mit dem Kopf nach unten schwimmend aus dem Pool gefischt. Ist Roberts mit seinen Plänen jetzt wahnsinnig oder genial? Oder gar beides? Im Gespräch gibt sich der Visionär von einst jedenfalls extrem selbstbewusst.
Seine Antwort auf die Frage, was ihn ausgerechnet jetzt zur Rückkehr bewegt hat, klingt zunächst wie der übliche Arbeits-Ethos-Lobgesang eines Entwicklers der alten Schule. Einem, der selbst gerne spielt und andere an seinen Ideen teilhaben lassen möchte. Einem, dem mehr an der Entwicklung seines Spieles liegt als an der Vermarktung desselben.
"Ich habe schon viel früher darüber nachgedacht, zurückzukehren. Während meiner Zeit als Filmproduzent habe ich auch nie aufgehört, Videospiele zu spielen. Die Quelle meiner Inspiration war immer, Spiele zu entwickeln, weil ich sie selbst gerne spielen wollte. Nicht, um Millionen von Dollar zu verdienen oder Verkaufsrekorde zu brechen. Doch in den letzten Jahren kamen kaum noch Spiele auf den Markt, die meinen Geschmack getroffen haben. Vor ein paar Jahren war dann endgültig der Punkt erreicht, wo es mich gepackt hat und ich wieder ein Spiel machen wollte. An dem Build, den ich jetzt vorstelle, haben wir als kleines Team ungefähr ein Jahr gearbeitet - es ist ein Prototyp dessen, wie für mich die nächste Generation der Weltraumspiele aussehen sollte. Eine fertige Version dürfte in zwei Jahren soweit sein."
"Ich hatte mich viel mit meinem Umfeld über meine Pläne unterhalten. Also ob es eine gute Idee ist, wieder zurückzukommen, ob ich Wing Commander wieder aufgreife und so weiter. Aber ich wollte mich nicht mit großen Publishern wie Microsoft herumschlagen - das war auch ein Grund, weshalb ich damals ausgestiegen bin -, ich möchte mich nur noch mit der Entwicklung beschäftigen. Publisher sind noch nicht einmal ein notwendiges Übel, aber sobald man mit ihnen arbeitet, sind plötzlich Tausende von Leuten mit an Bord, wegen der man sich mit Dingen beschäftigen muss, die nichts mehr mit der Entwicklung des Spiels zu tun haben."
Doch plötzlich wird aus zahnloser Nostalgie eine knallharte Kampfansage. Chris Roberts fordert mehr Respekt für PC-Spieler! Wider die Dominanz der Konsolen-Plattform!
"Ein weiterer Grund für meine Rückkehr ist, dass ich den aktuellen Entwicklungsstand von PC-Spielen wirklich deprimierend finde. PC-Spieler werden einfach nicht mehr respektiert von der Branche. Da hast du großartige Hardware mit übertakteten Prozessoren und neuester Grafikkarte zu Hause stehen und bekommst trotzdem nur Portierungen von Konsolentiteln serviert, die für sieben Jahre alte Maschinen programmiert wurden. Ich meine, mein Desktop ist zehnmal so leistungsfähig wie eine Xbox 360 oder eine PS3! Was soll das?"
"In meinem Umfeld kenne ich viele Entwickler aus den 90ern, die jetzt auf einmal Social- oder Mobile-Games machen. Richtige Verfechter der PC-Plattform gibt es da nicht mehr. Klar, Blizzard macht PC-Spiele, aber sie bringen die Technik nicht voran. Crytek leistet hingegen hervorragende Arbeit. Crysis 1 war der letzte Titel, der die PC-Hardware ein Stück weit nach vorn gezwungen hat. Ich sehe so viele PC-Spieler, die nach hochentwickelten Inhalten für ihre Plattform verlangen, während sich die Publisher nicht um sie kümmern."
Wird Star Citizen also ein Spiel für betuchte Gamer mit reichlich Asche auf dem Konto, die sich ein übertaktetes Luxussystem mit allen Schikanen leisten können? Was hat man denn überhaupt für Vorteile, wenn das System die entsprechende Leistung mitbringt? Bessere Grafik, schon klar. Aber ist das alles? Roberts grinst.
"Man soll mein Spiel natürlich auch mit älterer Hardware spielen können. Aber wenn du neue, leistungsstarke Komponenten unter dem Schreibtisch stehen hast, soll das Spiel von all diesen Möglichkeiten profitieren. Dinge wie stereoskopisches 3D wollen wir ebenso unterstützen wie die Virtual-Reality-Brille Oculus Rift. Für eine solche Brille ist unser Spiel sogar besser geeignet als ein Ego-Shooter, denn hier sitzt man in einem Cockpit anstatt nonstop herumzulaufen. Star Citizen mit Joystick und Oculus Rift auf einem leistungsstarken Rechner zu spielen, wird das ultimative Erlebnis."
"PCs sind übrigens auch nicht mehr viel schwerer zu handhaben als Konsolen. Das war früher ganz anders. Windows 7 läuft heute viel stabiler und ist viel einfacher zu benutzen als die Betriebssysteme damals zu Zeiten von Wing Commander. Es hakt also nicht am PC als Plattform, es gibt einfach zu wenige Entwickler und Publisher, die die Grenzen wirklich ausreizen und erweitern wollen. Die PC-Spieler als Zielgruppe ernst nehmen. Das ist meine Mission, mein Kreuzzug. Ich möchte den PC-Spielern da draußen sagen, dass ich an diese Plattform glaube."
Starke Worte. Aber hat denn die nächste Konsolengeneration gar nichts Verführerisches für Roberts? Der einstige Peiniger der High-End-Systeme überlegt nicht eine Sekunde, bevor er auf die Frage antwortet.
"Das, was wir derzeit entwickeln, geht schon jetzt über die nächste Konsolengeneration hinaus. Die Next-Gen-Konsolen werden einem High-End-Spiele-PC sehr nahe kommen, den man heute kaufen kann. Wir reden hier von einer ungefähren Leistung im Bereich einer AMD Radeon HD 7950. Dabei ist das noch nicht einmal die Spitze des Möglichen auf der PC-Plattform und sicher nicht die Top-Hardware, die man im Verlauf des kommenden Jahres kaufen kann."
"Keine Frage. Die neuen Konsolen werden gut sein, aber es liegt in der Natur der Sache, dass diese Geräte für ein paar hundert Dollar verkauft werden müssen und daher nicht die gleichen Teile verbaut werden können, die in einem Gaming-PC für über tausend Dollar zum Einsatz kommen. Microsoft und Sony wollen schließlich bei der nächsten Generation nicht genauso viel Geld verlieren wie in der letzten. Wenn ich also ein paar Tausend Dollar in meinen PC stecke, kann eine Konsole da unmöglich mithalten."
"Die Hersteller knobeln im Moment daran, wie sie einen Spiele-PC für 300 bis 400 Dollar hinbekommen. Dabei können sie im Grunde doch nur durchschnittliche Hardware hernehmen und sie in ihre neue Konsole stecken. Durch standardisierte Bauteile, ein angepasstes Interface und indem man sich das Drumherum eines kompletten Betriebssystems erspart, gewinnt man dabei vielleicht noch etwas an Effizienz. Doch wenn die Systeme auf den Markt kommen, werden die PCs schon wieder viel weiter sein. Kurz: Ja, mein Spiel könnte auf der nächsten Konsolen-Generation laufen und sogar ganz gut aussehen, aber wirklich zur Geltung kann es nur auf dem PC kommen."
Bei der anschließenden Demonstration eines Prototyps von Star Citizen auf einem Gaming-Laptop von Alienware mit Gamepad betont der Macher, dass es sich hier um eine frühe und nicht optimierte Fassung handele und alle Einstellungen auf Minimum liefen. Star Citizen verwendet eine stark angepasste Variante der CryEngine 3, die noch mehr Details bei den Raumschiffen und schickere Animationen ermöglichen soll.