Storys, die ihr erlebt habt...
...und die eine, die gewonnen hat.
So. Gesichtet, gesammelt und in aller Ungerechtigkeit ausgewählt. Ihr seid dem Ruf im letzten Special "Storys, die ihr erlebt haben solltet" gefolgt und wart fleißig. Hier sind zehn der Geschichten, die ihr für genial, spannend oder wenigstens lohnenswert haltet. Wie ich auf genau diese zehn kam? Laune, größtenteils, aber in erster Linie danach, ob ich nach dem Lesen Lust hatte, das Spiel einzuwerfen oder sogar das erste Mal überhaupt zu spielen. Natürlich waren es am Ende zu viele Texte und ein paar haben den Cut nicht überlebt, auch wenn ihr sicher argumentieren könntet, dass sie nicht schlechter oder weniger spannend sind, als die zehn hier. Wie ich schon bei der Wörterzahl sagte: Das Leben ist nicht immer gerecht. Trotzdem danke ich ganz herzlich allen, die mitgemacht haben! Ihr seid alle großartige und vor allem aktive Leser. Die besten ihrer Art. :-)
Und ganz am Ende kann es sowieso nur einen geben. Um hier nicht auch noch mal entscheiden zu müssen, weitere harte Nächte zu brüten und zu grübeln, im Kreis herumzulaufen, tausende von Post-it-Notizen an Wänden, Decken und dem Hund platzieren zu müssen, entschied ich mich, meine alten Rollenspieler-Reflexe zu nutzen. Wenn es eine besonders harte Entscheidung zu treffen gilt, müssen die Würfel sprechen.
Zuerst entwarf ich ein komplexes Kampfsystem mit leicht modifizierten Earthdawn-Regeln, erschuf zehn Helden mit den Namen der Leser, und schickte sie auf eine große Quest. Der, der das Schwert der ultimativen Macht +4 aus dem Dungeon der nimmerkommeneden Wiederkehr vom Daemeon der universellen Vergeltung beschaffen konnte, würde den ultimativen Preis erhalten.
Woraufhin meine Rollenspielrunde erklärte, dass das bescheuert, extrem langwierig und ich sowieso ein doofer Meister sei, der endlich das laufende Savage-Worlds-Spiel weiterführen sollte, und ich mir was anderes für dieses Gewinnspiel ausdenken muss. Also nahm ich einen zehnseitigen Würfel und ließ ihn kurz und knackig entscheiden. Das Ergebnis seht ihr auf diesem Foto. Die Reihenfolge der Texte ist die, in der sie mich erreichten, von zuerst bis zuletzt.
Also: Klacker, klacker, klacker, Stillstand, und oben ist... Herzlichen Glückwunsch an Engelhaft!
(Und wer jetzt sagt, dass ich beim Würfeln ja hätte schummeln können, der beleidigt mich zutiefst. Ich betrüge beim Würfeln nur, wenn mein eigener Charakter auf dem Spiel steht. Für sowas hier hole ich doch nicht meinen „speziellen“ Würfel vor.)
1. Stalker - Shadow of Chernobyl
2007 / GSC Game World / PC
Geschrieben von: Heavy_Rain
Die Atmosphäre.
Es gibt sicher genug Leute, denen Stalker nicht gefallen hat, denen es zu schwierig war, für die es die unmöglichen Erwartungen nicht erfüllt hat oder für die es einfach nur zu verbugt war. Doch wenn von diesen Leuten dann doch noch etwas gelobt wird, dann ist es meist, wie gut die endzeitähnliche Stimmung der Zone eingefangen wird.
Atmosphäre ist immer die Summe mehrerer Teile und bei Stalker spielen sie alle perfekt zusammen. Die eigene, zerbrechliche Figur, die nicht endlos weit sprinten kann, die verbluten kann, die nicht unendlich viel Munition und Waffen in ihrem Rucksack tragen kann und die auch nicht endlos viele Kugeln einstecken kann. Die offene Welt, in der auch befreundete und neutrale NPC’s herumlaufen, in der wilde, mutierte Tiere ihrem Treiben nachgehen und in der man jederzeit in eine tödliche Anomalie laufen kann.
Eingepackt in eine herrliche Grafik mit stimmiger Beleuchtung, dynamischem Wettersystem und dem schönsten Himmel, den je ein Spiel geschmückt hat. Und nicht zuletzt die extrem gruseligen Untergrund-Level, die von körperlosen Feuergeistern, untoten Soldaten und aggressiven Gegenständen mit Eigenleben bevölkert sind.
Alles eingebunden in die Suche nach dem mysteriösen Strelok, der als einziger ins Zentrum der Zone, zum sagenumwobenen „Wunschgönner“, vorgedrungen und wieder zurückgekehrt ist. Der Auftrag des Spielers ist es, ihn zu töten, was erst, wenn man den Sarkophag erreicht, das Zentrum der Zone, eine ganz besondere Bedeutung bekommt.
2. Psychonauts
2005 / Double Fine Productions / PC, Xbox, PS2
Geschrieben von: Frybird
In diesem Spiel schleicht sich der Protagonist Raz in ein Sommercamp, in der Kinder zu parapsychologischen Geheimagenten ausgebildet werden, und ist schon bald auf der Spur eines Komplotts, durch das seine Mitcamper wortwörtlich den Verstand verlieren, und erforscht dabei sowohl reale als auch die mentale Welten der Menschen (und Monsterfische) um ihn herum. Die Story klingt durchaus skurril und originell, aber auf den ersten Blick wenig anspruchsvoll.
Doch genauso wie man im Spiel selbst in die Gehirne verschiedenster Charaktere eintaucht, eröffnet sich dem Spieler schnell, dass auch die Handlung vielschichtiger ist als man denkt. Psychonauts erforscht auf seine eigene, skurrile Weise reale psychische Konditionen und Krankheiten, was den allesamt geistig angeschlagenen Charakteren Tiefe verleiht, von der immer fröhlichen Campleiterin mit einer dunklen Vergangenheit, einem Verschwörungstheoretiker, der selbst sein größter Feind ist, bis hin zum fiesen Schurken, der selbst nur ein Opfer seiner traumatischen Kindheit ist, und sogar dem Protagonisten selbst, der seinen eigenen emotionalen Ballast ins Camp mitbringt.
Dabei werden die mentalen Welten der Charaktere sowohl mit Humor, aber ebenso mit Respekt behandelt - und auch vor Themen wie Zwangsneurosen, Schuld und Suizid wird nicht zurückgeschreckt. Trotz allem bleibt das Spiel durchgehend witzig und clever, ohne aufgesetzt zu sein. Exzellentes, witziges Writing trifft auf komplexe Charaktere, bei denen die Macher scheinbar an alles gedacht haben. Das macht dieses teils eher mittelmäßig spielbare Jump n' Run zu etwas ganz Besonderem.
Denn wo sonst stellt man sich nicht nur den Bösewichten, sondern auch den Dingen, die ihren Verstand antreiben?