Street Fighter IV
Kaufen, genießen, lieben
Unter den bekannten Streitern lies man viel Sorgfalt walten, um alte Ungerechtigkeiten auszumerzen. Permanente Tiger-Attacken oder die früher eher billigen M.Bison-Tricks ziehen nun nur noch bei unerfahrenen Spielern. Jemand, der dagegen seine Figur kennt, wird aus solchen Routinen schnell einen eigenen Vorteil schlagen. Er kann das Bewegungsmuster einschätzen und darauf reagieren, denn kein Muster zeigte sich bisher als unüberwindbar. Und die neue Vierer-Riege fügt sich nahtlos in das Feld ein, als hätte sie schon immer dazugehört.
Nur einen Schandfleck leistet sich Street Fighter IV und leider ist er der Abschlussgegner der Arcade-Runde. Ihr könnt alle Feinde auf „Schwer“ in einem lockeren Rutsch besiegt haben, Seth wird Euch richtig fies vermöbeln. Im leichten Härtegrad fliegt Ihr auf einer Wolke der Unbesiegbarkeit, bevor Euch Seth auf den harten Boden der Tatsachen zurückholt. Wäre dies ein Boss mit einer wahnsinnig spannenden und interessanten Technik, die Euch fremdartig, aber reizvoll dazu auffordert, Euren ganzen Kampfstil zu überdenken und anzupassen, wäre ich damit sogar einverstanden.
Aber so einer ist Seth nicht. Er ist der silberne, generische He-Man Typ, der sich teleportiert, seine Specialmoves von allen Kämpfern zusammenräubert, um im Sekundentakt damit um sich zu werfen. Solche Typen gab es zuhauf in der Prügelgeschichte - Hallo, Durandal - und sie waren noch nie innovativ, spannend oder gut. Und Seth ändert daran nichts. Um es perfekt zu machen, hockt er dann auch noch im optisch langweiligsten Stage des ganzen Spiels. Zumindest ist Seth ein wenig besser als Gill aus Teil 3. Aber viel bedeutet das nicht...
Aber was soll's, Street Fighter glänzte schon immer dann am hellsten, sobald Ihr den besten Freunden zeigt, wo der Hammer hängt. Und jetzt erklärt Ihr den Verbleib des Werkzeugs auch völlig Fremden, Online sei dank. Ob nun in Gesellschaft vor einer Konsole oder allein im Zimmer mit Ethernet zu Welt, die Einbindung des zweiten Spielers in den Arcade-Modus bläst den Staub von dessen sonst festgefahrenem Ablauf.
Erlaubt Ihr es, darf sich jederzeit jemand aus der weiten Online-Welt dazuschalten und gegen Euch antreten. Der Arcade-Automat findet damit in aller Konsequenz den Weg zu Euch nach Hause. Die weiteren Optionen wirken dagegen bieder. Stellt ein Spiel zusammen, kämpft und bewundert anschließend die recht übersichtliche Zahl an Leaderboards.
Das sprichwörtlich Schönste habe ich für den Schluss aufgehoben. Sicher, der Ablauf mag so bekannt sein wie Chun Lis raumgreifende Schenkel, aber selbige sahen noch nie besser aus als in Street Fighter IV. Capcom verwandelte das Simple in das Kunstvolle, als sie zu einem Comic-Cell-Shading ansetzten und mit diesem den Stil und die Stimmung der sich nie selber zu ernst nehmenden Kämpfe in Vollendung rückten. Endlose Details an den Kämpfern und Hintergründen sorgen dafür, dass Ihr auch im zwanzigsten Kampf mit den gleichen Beteiligten in der selben Landschaft immer neue, kleine Feinheiten entdeckt oder einfach die Atmosphäre der Gesamtheit begierig aufsaugt. Drücken wir es einfach so aus: Street Fighter IV sieht wirklich schweinecool aus!
So gut, dass es fast den Titelsong vergessen lässt, der Euch im Menü entgegenschlägt oder auch, wie kurz und hässlich die kleinen Anime-Intros der Figuren wirken, die leider nichts mit den epischen Tusch-Trailern zu tun haben. Aber dies sind Kleinigkeiten, der nächste Kampf startet schnell und im Feuerwerk dieser Optik vergehen solche nichtigen ästhetischen Tiefschläge schnell.
Für alle Liebhaber der Serie und damit auch mich macht Capcom es einfach: Zieht los und kauft Euch Street Fighter IV, es dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit der beste Weg sein, bis zum nächsten Street Fighter Euer Geld auszugeben. Und legt auch gleich ein paar Euro für den Arcadestick auf die Seite.
Als Fans stellen wir auch nicht die Frage, ob Capcom mit seiner Portierung aus der Spielhalle trotz zusätzlicher Kämpfer nicht eine gewisse Faulheit an den Tag legte. Die lieblosen Menüs führen zu praktisch den gleichen Spielvarianten und die sicher durchaus brauchbare Kampf-KI bietet dem Solospieler nur einen Hauch des Vergnügens. Hier gibt es viel verschenktes Potential. Um nur ein kleines Gedankenspiel zu äußern: Wie cool wäre ein Storymodus im Stile eines Soul Calibur gewesen? Mit einem guten Endgegner statt dem einfallslosem Seth? Der Onlinekampf rettet sicher eine Menge, er kann jedoch nicht den Spieler neben Euch ersetzen, der bei diesem Genre für die Psychologie des Spiels weit wertvoller ist, als ein gesichtsloser Kontrahent irgendwo in der Welt. Street Fighter IV verzichtet auf jedes Extra und schickt einsame Kämpfer stattdessen durch den unbefriedigenden Arcade-Modus.
Aber ich bin gierig und am Ende könnte es immer mehr sein. Street Fighter IV bietet genau das, was die Serie schon immer verkörperte. Wahrhaft kunstvolles Prügeln, das halt erst in Gesellschaft zu absoluter Hochform aufläuft. Das auch in seiner vielleicht besten und ganz sicher schönsten Form. Versucht es, genießt es und liebt es. Aber erwartet nicht, dass sich seit heute die Welt der Beat´em´Ups nun völlig anders drehen würde.
Street Fighter IV ist ab dem 20.2. für Xbox 360 und PS3 zu haben. Gegen Aufpreis auch als limitierte Edition mit Ryu-Figur und Animefilm. Eine PC-Fassung folgt im Laufe des Jahres. Alles zu den freischaltbaren Charakteren sowie den Xbox 360 Achievements und PlayStation 3 Trophies findet Ihr in unserer Street Fighter IV Lösung