Street Fighter IV
Perfect Win
Street Fighter bedeutet Hornhaut. Dicke Hornhaut. Daumen, so dick, dass ich Tage lang Probleme hatte, einen Stift zu halten. Bauarbeiter-Schwielen. Verantwortlich für dieses Desaster: Super Street Fighter II für den SNES. Frisch aus Japan. Satte 250 DM, die ich mir von meinem Nebenjob als Kartenabreißer im Freibad zusammengespart hatte. Wochen-, gar Monate-langer Spielspaß mit Ken, Ryu, Blanka und natürlich Chun Li.
Dutzende Befehle, Spezialattacken und Kombos. Ein Fest für Prügelspieler und der Beginn einer langen, wunderbaren Freundschaft, die ich in den letzten Jahren mehr und mehr vernachlässigte. Zu wenig echte Highlights und zu viel Einheitsbrei vermiesten die Stimmung. Andere Prügel-Serien und vor allem andere Genres haben sich deutlich weiter entwickelt. Die Street Fighter-Serie hatte ihr Chi verloren. Bis heute.
2008 schließt sich der Kreis. Mit Street Fighter IV wird nicht nur die erste waschechte Fortsetzung seit Jahren auf die Xbox 360 und PS3 portiert, sondern auch der lange fällige Schritt in die dritte Dimension gewagt. Wohlgemerkt optisch. Spielerisch besinnt sich Capcom ganz bewusst auf die Anfänge zurück. Unter dem Deckmantel der wunderhübschen Grafik lauert in Grundzügen das System aus dem guten alten Street Fighter II. Hier ein paar EX und Ultra-Moves, Counter-Attacken und natürlich jede Menge frischer Kämpfer, doch im Grund schlägt man sich noch immer mit den gleichen Steuerungsbefehlen die Spezialattacken um die Köpfe. Eben wie 1994.
Dreidimensionales Ausweichen, selbstgebaute Kämpfer und Upgrade-Funktionen wurden für das perfekte Spielgefühl geopfert. Jede unnütze Neuerung aus den Vorgängern gnadenlos über Bord geworfen. Jede überflüssige Spezialattacke gestrichen, um das Reaktionsvermögen und die Taktik in den Vordergrund zu schieben. Back to the roots, sagt man so schön und bei keinem Titel trifft das besser zu, als bei Street Fighter IV.
Nähere Details zum Gameplay frisch vom Automaten findet Ihr in der Street Fighter IV-Vorschau meines Kollegen Woger. Diesmal haben wir uns nicht in die Spielhalle begeben, sondern konnten erstmals vor dem heimischen Bildschirm Hand anlegen. Keine Aufpasser, keine auf japanisch fluchenden Entwickler und leider auch kein Arcade-Stick, sondern nur wir, unsere Debug, ein Fernseher und zwei suboptimale Xbox-Pads, die bei dem brachialen Schlagfeuerwerk immer wieder den Geist aufgaben. Ein Trauerspiel, weil der Rest des Titels so fantastisch ist.
Abseits der Steuerungsproblematik, die echte Fans mit einem Stick oder einem besseren Pad umgehen sollten, hat die Entwicklungsabteilung der Japaner hervorragende Arbeit geleistet. Der Titel begeistert mit dem gleichen, einmaligen Grafikstil wie auf dem Automaten, der durch den Einsatz von Wasserfarben und schicken 3D-Effekten wie ein Leuchtfeuer aus der Ursuppe der Unreal Engine 3 Klone heraus sticht.
Vor allem Ed Boon und seinem Mortal Kombat-Team zeigen die Japaner, was eine Harke ist. Geschmeidige Animationen, perfekt proportionierte Körper und das Gefühl für ein stimmiges Design setzen Zeichen. Selbst Grafik-Meister Soul Calibur muss bei so viel Kreativität die Segel streichen. Auch was Effekte und Hintergründe angeht, liefert Capcom eine neue Benchmark, an der sich in Zukunft die Konkurrenz messen muss.