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The 3rd Birthday

Die Fortsetzung, die (vielleicht) keine sein will...

Fanservice gehört bei vielen Spielen heute einfach dazu. Die Mädels freuen sich, wenn Tidus im aktuellen Dissidia mit freiem Oberkörper antritt, die Jungs drücken auch gerne mal den Pause-Knopf, wenn Kasumi im kommenden DOA besonders viel Bein zeigt. Aber wie viel Fanservice verträgt ein Spiel, bevor es zu viel wird?

Die Meinungen darüber gehen auseinander. Für viele ist mit Tecmos Dead or Alive Xtreme Beach Volleyball die Schmerzgrenze erreicht, andere ziehen die Linie bei den schlüpfrigen Dialogen mancher Nippon-Ichi-Titel. Ich für meinen Teil sehe die Sache so: Fanservice wird dann lästig, wenn er den Ton des Spiels und die Atmosphäre untergräbt. Und Square Enix' The 3rd Birthday führt in Sachen Fanservice einen prekären Tanz auf dem Drahtseil auf.

Hauptfigur Aya Brea wird als starke, unabhängige Frau präsentiert – trotz ihrer 39 Jahre wirkt sie aber aus diversen Gründen, die wir hier nicht vorwegnehmen wollen, wie eine 20-jährige. Aya rennt durch verwüstete Szenarien und nimmt es fast im Alleingang mit gigantischen Monstern auf, feuert aus allen Rohren und gibt den Ungetümen mit ihren übernatürlichen Fähigkeiten den Rest. Gleichzeitig aber räkelt sie sich in einer fast schon softpornografischen Duschsequenz unter dem Wasserstrahl, läuft auf Wunsch des Spielers in diversen freispielbaren Fetisch-Kostümen durch die Levels und je mehr Schaden sie einsteckt, desto stärker wird ihre ohnehin schon knappe Kleidung in Mitleidenschaft gezogen.

Leuchtet das gelbe Dreieck auf, könnt ihr dem Gegner per Overdive zusetzen.

Wäre gerade dieser Kleidungsschaden ein zentrales Spielelement – beispielsweise die Lebensanzeige oder vielleicht auch eine Angabe über das verbleibende Schutzpotenzial der Ausrüstung, dann wäre das auch durchaus in Ordnung. Aber so ist es nicht. Die zerstörbare Kleidung hat einzig und allein den Zweck, eifrige Guckspechte vor die PSP zu fesseln und dabei in erster Linie an die basaleren Instinkte zu appellieren. Und das finde ich sehr schade. Denn zum einen hat Aya so etwas eigentlich nicht nötig und zum anderen lenkt diese Art von Fanservice von den eigentlichen Qualitäten des Spiels ab.

Als spiritueller Nachfolger der beiden Parasite-Eve-Episoden auf der PSone (von denen es nur der etwas schwächere zweite Teil nach Europa schaffte, der grandiose Erstling bleibt auf PSone und im PSN Import-Kennern vorbehalten) tritt The 3rd Birthday ein schweres Erbe an: Das Rollenspiel Parasite Eve begeisterte in den 90er Jahren nicht nur mit seiner fulminanten Präsentation und einem extrem durchdachten Kampfsystem, sondern vor allem durch sein Setting in der realen Welt.

Aya Breas Kampf gegen die sich erhebenden Mitochondrien fand nicht in einem generischen Fantasy-Land, sondern im modernen New York City statt: Der RPG-Nachfolger eines enorm erfolgreichen Horror-Romans des Japaners Hideaki Sena, der inzwischen in einer englischen Übersetzung erhältlich ist und von mir das Prädikat „haarsträubend, aber unterhaltsam" bekommt, hob sich aufs Herrlichste von der damaligen Konkurrenz ab und fesselt auch heute noch vor die Konsole. Mit diesem großen Vermächtnis verbindet The 3rd Birthday ein vergleichsweise schizophrenes Verhältnis.

Nach ein paar Treffern ist von Ayas Kleidung nicht viel übrig – nur das Nötigste wird bedeckt.

Auf der einen Seite versucht der Titel jegliche Assoziation mit den beiden Parasite Eve-Episoden zu vermeiden, auf der anderen Seite weist die Handlung doch ein paar enorme Parallelen und Verbindungen zum 32Bit-Kampf gegen die Mitochondrien auf, so mancher Story-Twist im späteren Spielverlauf könnte Parasite-Eve-Veteranen dagegen sauer aufstoßen – man fragt sich schon, warum Square Enix The 3rd Birthday nicht als eigenständigen Titel ohne Bezüge zu den Psone-Klassikern positioniert hat.

Das Zeug, um alleine für sich zu stehen, hat The 3rd Birthday nämlich allemal. Das beginnt bereits mit der dramatischen Handlungs-Prämisse: In naher Zukunft taucht eine rätselhafte Lebensform auf, der man aufgrund ihres grotesken Aussehens den Namen Twisted gibt. Diese Wesen sind auf dem besten Weg, die USA zu überrennen. Die letzte Hoffnung auf Rettung ist Aya Brea – aus anfangs ungeklärten Gründen kann Aya mit Hilfe einer Maschine ihren Geist in die Vergangenheit transferieren und mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten die damaligen Einsatztruppen im Kampf gegen die Twisted zu unterstützen – so hofft man, die Vergangenheit zu ändern, um eine bessere Zukunft zu schaffen.

Thomas Nickel Avatar
Thomas Nickel: Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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