The Darkness 2 - Test
"Hello Darkness, my old friend"
Hatte ich vor 14 Tagen nach meinem ersten Hands-On-Erlebnis The Darkness 2 noch in die Nähe von interaktiven Erzählkunststücken wie Portal 2 und Rocksteadys Batman-Spielen gerückt, muss ich diese Aussage nun etwas relativieren. Nicht in vollem Umfang, denn was seine Handlung angeht, hat der Titel um den Mafia-Jungboss Jackie Estacado mit seinen dämonischen Tentakeln einige ebenso bleibende wie gekonnt inszenierte Momente zu bieten und weiß bis zur Auflösung einige bitterböse Pointen zu setzen. Es ist kein Shakespeare, aber es hat einen am Schlafittchen wie die Darkness Jackies Widersacher an der Gurgel - kurz bevor sie sie mit dem Schnalzen eines zu kurz gekochten Hühnchens in zwei Teile reißt.
Es ist ein spannender Ritt mit einigen Wendungen und zudem wie aus einem Guss erzählt: Sogar während der Ladebildschirme schaut ihr dem gemarterten Antihelden bei Monologen zu, die ihm ein wenig Tiefe verleihen und zwischen den bleihaltigen Gewaltfesten erlebt ihr immer wieder ruhige Augenblicke, wenn ihr in eurem Anwesen über die nächsten Schritte nachsinnt. Digital Extremes legt einen angenehmen Rhythmus vor und schenkt euch gen Schluss, mit der finalen Interaktion des Spielers mit dieser Figur, sogar einen ziemlich mächtigen Augenblick, der einen in seiner emotionalen Schwere ein bisschen auf dem falschen Fuß erwischt. Den zieht das Spiel leider wegen eines etwas zu eilig nachgeschobenen Cliffhangers nicht vollends durch, was ich extrem schade fand. Trotzdem bleibt so einiges hängen von diesem Kleinkrieg, den Jackies Bande aus Mafiosi mit goldenen Herzen gegen die böse Brotherhood führt.
The Darkness 2 gehört also definitiv zu dieser neuen Schule interessanter Erzählspiele. Wo der Vergleich mit erwähnten Jungklassikern oben aber hinkt, das sind die spielerischen Disziplinen. Anstatt hier sein eigenes Genre in irgendeiner Weise zu prägen, bietet The Darkness 2 hier "nur" wirklich guten Shooter-Standard mit einem übernatürlichen Twist. Verdammt kompetentes "Business as usual" im schillerndsten, pechschwarzen Aufzug, ist es ein Erlebnis, dass man an drei längeren Spiele-Abenden gut amüsiert hinter sich bringt.
Aber auch wenn hier nicht unbedingt königliche Genuss-Regionen erreicht werden, tut sich das Spiel auf interaktiver Ebene in einigen Bereichen durchaus hervor. So erfreuen vor allem die satten Trefferreaktionen der Feinde zusammen mit den belebten Bewegungen von Jackies Waffenarmen und den beißenden Entladungen der Schießprügel für eines der dynamischeren Shooter-Erlebnisse der letzten Zeit. Zu sagen, es fühle sich "richtig" an, wie hier am anderen Ende eurer auf Wunsch doppelt geschwungenen Kleinkaliber oder der Schrot- beziehungsweise Sturmgewehre reihenweise rekordverdächtige Massaker stattfinden, klingt hoffentlich nicht nur in meinen Ohren ein bisschen… seltsam. Aber ihr wisst schon, was ich eigentlich sagen will: Das grundlegende Hantieren mit den zentralen Werkzeugen des Spiels ist einfach große Spitze.
Ebenso laden die verschiedenen Fähigkeiten, die ihr im Tausch gegen verdiente Essenz an diversen Punkten im Spiel ersteht, dazu ein, Jackies Talente auf die von euch bevorzugte Spielweise anzupassen. Fans von Schrotwaffen versehen jegliche Pump-Action-Kaliber bei Bedarf mit einer Art Active-Reload, bei der ein Ziehen des linken Triggers nach einem Schuss nicht nur für schnelleres Nachladen sorgt, sondern auch für weniger Streuung, wenn ihr das nächste Mal den Abzug betätigt. Auf der Gegenseite bieten sich natürlich auch Mittel und Wege für diejenigen, die lieber einhändig oder im Dual-Wield-Betrieb unterwegs sind. Jackies Darkness-Talente spendieren euch unterdessen nach einem Upgrade etwa ein Schwarzes Loch, das von manchen Gegnern nach deren unfreiwilligem Ausscheiden aus dem Spiel hinterlassen wird. Einmal geworfen, säubert dieser Gravitationsstrudel einen begrenzten Bereich gründlichst von jeglichem Feindvolk.
Verschiedene Arten von Griff-Attacken mit euren Darkness-Tentakeln stehen ebenfalls für die Freischaltung bereit und liefern nach Ausführung nicht nur arg gemeine Exekutionsanimationen, sondern auch verschiedene Boni, wie zum Beispiel mehr Lebensenergie, etwas Munition oder einen Schild aus Dunkelheit, der euch vor Projektilen schützt. Insgesamt sind die zahlreichen Skills zwar nicht unbedingt ein Game-Changer oder erreichen gar Rollenspiel-Charakter. Viel zu attraktiv locken Aufwertungen wie Schwarzes Loch, Gun Kata (bekannt aus dem Film "Equilibrium", nimmt das Spiel für euch in gewissen Momenten mehrere Ziele zugleich aufs Korn) und die Verstärkung eurer Schüsse durch das Umleiten der Darkness durch eure Waffen, als dass man an ihnen vorbei skillen würde. Dennoch kommt das Spiel hier verschiedenen Spielertypen zumindest auf den äußeren Zweigen seines Fähigkeitenbaumes ein Stück weit entgegen und gestaltet das Geschehen so etwas flexibler.
Auch der innere Ablauf gibt sich Mühe, mit dieser Flexibilität Schritt zu halten, was die meiste Zeit durchaus gelingt. Die zwei Herzen-fressende Geister-Moränen leisten dabei ihren Anteil. Sicher: Hier entsteht im Rahmen des Genres doch sehr gehobenes Multitasking, doch Jackie knickt unter dieser Last nie zusammen. Schon bald hat man die verschiedenen Schlitz-und Greif-Attacken verinnerlicht, wirft mit spitzen, stumpfen oder flachen Gegenständen um sich und setzt diverse magische Fähigkeiten ein, während man nebenher die Darkness mit den Innereien der Gefallenen füttert, um seine Lebensenergie aufzufüllen. Dazu nimmt euch das Spiel noch in die Pflicht, euch der umstehenden Lichtquellen zu entledigen, wollt ihr nicht auf einmal ohne eure diabolische Schützenhilfe dastehen.
Wo andere Spiele euch zwei Waffen und eine Handvoll Granaten umschnallen, um eine Reihe Terroristen umzunieten, habt ihr hier nicht nur euer gleichmäßig auf alle zehn Tasten (Stick-Klicks zähle ich mal mit) verteiltes Repertoire zu jonglieren, sondern auch sehr unterschiedliche Gegnertypen. Die sind hier und da durchaus in der Lage, sehr kurzen Prozess mit euch zu machen, wenn ihr die Situation nicht richtig "lest". Das passierte mir auf dem zweihöchsten der vier Schwierigkeitsgrade zwar auch nur knapp fünfmal im Lauf der achtstündigen Kampagne, dennoch fühlte ich mich die ganze Zeit über gefordert.
Während ihr es anfangs nur mit Schlägern und anderen Mafiosi zu tun bekommt, greift die Brotherhood nämlich später tiefer in die Trickkiste und will in manchen Körperpanzerungen nur von einer bestimmten Seite getroffen werden. Manche Feinde entreißen euch mit einer Peitsche eure Waffe, was besonders bitter ist, wenn die anderen beiden Bleispritzen mal wieder leer sind, was sehr wohl passiert, wenn man sich, wie ich, auf bestimmte Waffengattungen versteift.