The Next Big Thing
Das Krokodil im Kühlschrank
Ich mag es, in eine eigenwillige Welt geworfen zu werden, und zwar ohne eine langwierige Erklärung, warum wir in den 50ern sind, Monster als Schauspieler existieren und mal depressive, mal trunkene Roboter das Leben interessanter gestalten. Solange man es nicht wie ein Final Fantasy 13 übertreibt, ist der menschliche Geist durchaus in der Lage, einfach eine ganze Menge als gegeben hinzunehmen. Vor allem, wenn ihm so viel Ablenkung von diesen Dingen geboten wird wie in The Next Big Thing.
Statt sich in übertriebenen Erläuterungsversuchen des Wieso dieser eigenwilligen Umgebung zu verlieren und den Spieler mit am Ende eh irrelevanten Details zu belästigen, stehen die nicht weniger eigenwilligen Charaktere, ihre Beziehungen und natürlich Ambitionen im Mittelpunkt. Was bedeutet, dass der Böse die Welt beherrschen will. Raul Julia sagt „Of course!". Und die Guten können das natürlich nicht zulassen. Neben einem durchaus kruden und unterhaltsamen Panoptikum an Randfiguren – der Poet des Schmerzes... wow, großartige Figur – dominieren die beiden Protagonisten Liz und Dan, nominell Reporter, praktisch beide ziemlich durch den Wind. Er bleibt ein wenig langweiliger. Hollywood-50s-Schleimling mit Sinn für Sportevents, Alkohol und vor allem sich selbst, da bleibt eigentlich nur die Besserung von "das da" zum Menschen.
Liz dagegen ist ein ganz eigener Fall, der schon viele Psychiater glücklich und reich machte. Eine Zwangsneurose lässt sie Zahlenfolgen wiederholen, gelegentlich sagt sie Dinge, die in keinem Zusammenhang zu irgendwas stehen und dann ist da noch ihre Faszination mit Kühlschränken. Spätestens bei einem längeren Ausflug in ihr Unterbewusstsein wird klar, dass hier nicht alle Tassen richtig sortiert, ein paar Schrauben verlegt und einige Dichtungen unsauber verarbeitet wurden. Das Setting in Hollywoods goldenem Zeitalter erlaubt natürlich zum einen ein paar nette Sets – eine ägyptische Pyramide als Zauberer-Theater, der Luxus-Zeppelin des Bösewichts, das unterirdische Frankensteinlabor –, zum anderen Anspielungen und humoristische Elemente in Bezug zu all dem.
Und das ist es normalerweise, wo sich meine Reaktionen darauf von einem missfallenden Stirnrunzeln über ein schmerzhaftes Verzerren der Gesichtsmuskulatur bis hin zu einem ausgewachsenen Aufrollen aller Zehennägel ausleben dürfen. Ich rechnete mit dem Schlimmsten. Abgestandene Star-Wars-Witzchen und ähnliche Widerlichkeiten. Bis zum Ende der Credits blieb ich auf der Lauer nach derartigen humoristischen Verbrechen. Und wurde positiv enttäuscht. Der Humor in The Next Big Thing bleibt dezent, sehr trocken und will wie ein guter Martini genossen und nicht gestürzt werden. Die Anspielungen sind da, aber entweder bleiben sie friedlich im Hintergrund, kommen mit dem richtigen Gespür für Timing oder sind sogar noch relativ unverbraucht und wirklich halbwegs lustig.
Dem Humor und der Skurrilität der Figuren, der Komik und auch dem Setting an sich kommt eine durchaus ambitionierte deutsche Synchronisation entgegen, deren Zeilen ausnahmsweise einmal nicht nur gut geschrieben, sondern auch so gesprochen wurden. Passend und professionell in der Tonlage bleibt eigentlich nur noch das Timing und da möchte ich auf wohlgemerkt hohem Niveau nörgeln. Zwischen Liz und Dan läuft das übliche „Was sich übelst beleidigt, liebt sich am Ende doch" ab, nur passiert hier genau das, was schlechte Filme in den 50ern gerne vormachten. Die Akteure warten brav darauf, dass der andere seine Zeile beendete, bevor es weitergeht. Man könnte jetzt natürlich in den Raum stellen, dass das eine weitere Hommage an den Silverscreen darstellt, aber ich bezweifle das einfach mal und möchte beim nächsten Zank der beiden mehr Authentizität.
Wie ihr seht, beim Drumherum von The Next Big Thing muss ich schon ganz schön feinsinnig werden, um nölig zu werden, und beim Design von Optik und Sound habe ich endgültig nichts mehr auszusetzen. Ein frischer Stil, der die Runaway-Herkunft zwar nicht verleugnet, diese jedoch noch einmal verfeinert, optimiert und einen eigenen Schliff gibt, erfreut das Auge und einzelne Passagen sind wahrhaft traumhaft, sowohl inhaltlich wie auch visuell. Schön auch, dass zumindest einige Adventure-Designer verstanden haben, dass Widescreen dafür da ist, ausgenutzt zu werden. Musikalisch gibt man sich mit kleinen Anspielungen und Keys die Ehre, der Teppich an sich bleibt aber dünn und punktuell, was ich hier als sehr passend empfand. Nichts nervt mehr als sich ständig wiederholende Musik beim abenteuern.