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The Saboteur

Volltreffer oder Kollateralschaden?

Gleich zu Beginn hat man es nicht leicht mit Sean Devlin, dem Rennen fahrenden Protagonisten von The Saboteur, ist er doch gewissermaßen selbst schuld an seinem Dilemma. Nachdem er in einem Saarbrückener Autorennen mit skrupellosen Mitteln von SS-Offizier Kurt Dierker um den Sieg betrogen wird, beschließt er zusammen mit seinem besten Kumpel Luc, den Wagen des Nazi-Supermannes zu stehlen und über eine nahegelegene Klippe zu schicken. Dumm nur, dass Dierkers Nazi-Domina-Leibwache die beiden Genies erwischt.

Als das irische Quadratkinn die folgende Folter und die vorgehaltene Pistole immer noch mit geradezu lebensmüder Starker-Mann-Attitüde abtut, muss sein französischer Freund wenig überraschenderweise dran glauben. Und auch wenn die Nazis in The Saboteur mindestens so eindimensional und formulaisch-böse sind wie in einem der frühen Wolfenstein-Spiele, so bekommt man mehr als nur ein bisschen das Gefühl, dass Sean Devlins Problem - und damit auch die Rachelust, die ihn 1940 in den Pariser Untergrund treibt -, doch ziemlich hausgemacht ist. In gewissen Momenten hält man einfach besser die Klappe.

Sean schaltet je nach Spielweise beinahe automatisch bis zu drei Perks in zehn verschiedenen Kategorien frei, darunter Prügeleien, Sabotage und Sprengstoff.

Platte Charakterisierung und Story sollen auch im weiteren Verlauf nicht sonderlich besser werden: Unpassende, obertaffe Oneliner, dicke und schwach gekünstelte französische Akzente bei der deutschen Sprachausgabe (die man auch dann zu hören bekommt, wenn die Konsole auf Englisch gestellt ist) und allgemein eine schwache Inszenierung der Story führen die „GTA-im-Zweiten-Weltkrieg“-Vergleiche schon zu Anfang zu Teilen ad absurdum. Beim Gameplay greifen sie aber umso besser.

In einer frei begehbaren Umgebung klaut ihr nämlich Autos, schaltet für die Resistance Ziele aus, befreit Mitstreiter für die gute Sache oder kutschiert NPCs von A(nschlag) nach B(ombardement). Der Fokus auf das Sprengen von Anlagen der Nazibesatzer lässt zudem Parallelen zu Red Faction: Guerilla durchscheinen, während Seans athletische Möglichkeiten ein wenig an inFamous oder Assassin’s Creed gemahnen. Immerhin kann der trinkselige Ire fast jede Fassade erklimmen, um sich über die Dächer der Seine-Metropole zu bewegen. Dadurch, dass allerdings in keinem der drei Kernbereiche eines der Vorbilder auch nur ansatzweise erreicht wird, untergräbt sich das Spiel an allen Ecken und Enden selbst. Zugegeben: Saboteur ist allein aufgrund des teilweise ansprechenden Stils und der ausgereifteren Spielmechanik etwas besser als Pandemics dezent verunglücktes Mercenaries 2, der Triple-A-Titel, der dem jüngst geschlossenen Studio einen stilvollen Abgang beschert hätte, ist es aber nicht geworden.

Man ist froh, wenn man oben ist: Nicht nur, weil man die Verfolger leichter abhängt, sondern weil das Klettern wenig Spaß macht.

Dabei ist es nicht ganz einfach, zu entscheiden, welcher Punkt nun am schwersten wiegt, zumal einem auch die möglichen Interaktionen mit Stadt und der Bevölkerung so vorkommen, als spielte man ein Open-World-Spiel der letzten Generation. Auf offener Straße kann der rechtschaffene Trunkenbold ungestraft arglose Nonnen zu Tode prügeln, Fußgänger im Sechserpack überfahren (so lange kein Nazi darunter ist) und Autofahrer vor den Augen der Besatzer aus ihren Wagen zerren.

Die Bestohlenen protestieren daraufhin kurz verärgert, um ihren Weg anschließend - als wäre nichts gewesen - zu Fuß fortzusetzen. Von der Bevölkerung erntet man höchstens einen bösen Spruch oder vereinzelte Panikreaktionen. Nie aber hat derartiges Verhalten längerfristige Auswirkungen (immerhin soll man für die Pariser kämpfen, nicht gegen sie), nicht einmal kurzfristigen Ärger bekommt man wegen solchen Fehlverhaltens. Den kriegt man nur, wenn man unter den Augen der Faschisten - von denen man leider nie so recht weiß, wo sie nun genau hinsehen - seltsame Dinge macht. Schleichen zum Beispiel oder Spazierengehen mit offen getragener Waffe. Oder wenn man etwa versucht, eine Häuserfront hochzukraxeln. Dann steigt langsam die kreisrunde Verdachtsanzeige an, die rings um die Mini-Map herum zu finden ist. Sobald diese auf das Maximum angefüllt ist, schlägt einer der Nazis Alarm und die Wehrmacht eröffnet das Feuer auf Sean.

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

The Saboteur

PS3, Xbox 360, PC

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