The Saboteur
Volltreffer oder Kollateralschaden?
Das Alarm-System, das sich in den Tutorial-Illustrationen des Spiels wie das logischste Prinzip auf der Welt anhört, sorgt in der Praxis mehr als einmal für hochgezogene Augenbrauen: Den mehrstufigen Alarmstatus wird man nur wieder los, wenn man möglichst schnell aus dem angezeigten blutroten Todesradius flieht oder nach Unterbrechen der Sichtlinie schnell genug in einem der wenigen Verstecke Zuflucht findet. Dabei ist es enorm wichtig, nicht gesehen zu werden, denn jeder Sichtkontakt mit dem Feind zentriert die kreisrunde Alarmzone auf Seans Position zurück.
So weit, so gut. Bei höheren Alarmstufen artet eine Flucht aber oft in rück- und übersichtslose Vollgas-Touren durch Paris aus, bei der man häufig auf sein Glück vertraut, nach der nächsten Straßenbiegung nicht wieder einem Nazi in den Sichtbereich zu rollen. Ein, zwei Sekunden nach Verlassen der Alarmzone vergessen alle Verfolger sofort, was sie gerade vorhatten. Das führt zu einigen urkomischen Situationen, in denen eine weniger als 100 Meter sichtbar hinter einem herfahrende Motorrad-Patrouille die Verfolgung einfach einstellt und zur Tagesordnung übergeht oder man seine Häscher abschüttelt, um Millisekunden später unbehelligt an einer schweren Nazi-Befestigung vorbeizufahren.
Wer außerdem auf dem Weg zu einem Haupt- oder Subquestgeber einen Alarm auslöst - wie es mir zum Beispiel in der Kirche von Pater Denis passiert ist -, hat Pech gehabt. Solange ich die Alarmzone nicht verließ, saß der Priester nur da und sagte kein Wort. An solchen abgeschlossenen Orten (wie eben dieser Kirche) hätte Pandemic dem Spieler noch eine weitere Möglichkeit geben müssen, den Alarmstatus zurückzusetzen, etwa durch eines der viel zu seltenen Verstecke oder durch das Ausschalten aller anwesenden Truppen. Stattdessen musste ich in diesem Fall die Beine in die Hand nehmen, durch den Vordereingang der Kirche flüchten und aus dem Suchradius heraustreten - dann durfte ich allerdings auf dem Absatz kehrt machen und sofort zu dem nun redebereiten Denis zurückkehren.
Mit diesem mäßigen System kann man sich zwar arrangieren, leider hilft es aber nicht gerade, dass sich die Möglichkeiten des Spielers, seine Entdeckung innerhalb der Missionen zu vermeiden, in extrem halbgaren Stealth-Elementen erschöpfen. Wegen des hohen Truppenaufkommens und des nicht immer nachvollziehbaren Sichtbereiches der Gegner ist es oft einfach nicht vorhersehbar, ob man Gefahr läuft, entdeckt zu werden - und damit, ob sich der Leisetreter-Ansatz in einer Mission lohnt - was in reichlich Trial and Error resultiert. Wer über das Dach eine feindliche Position infiltrieren will, wird zudem oft schon beim Abstieg an der Wand herunter früh entdeckt. Diese Dinge resultieren darin, dass man stets lieber mit dem Kopf durch die Wand geht als den logischeren und unauffälligeren Weg zu gehen - es sei denn, die Mission verlangt es ausdrücklich anders.
Diese Spielweise wird dem Spieler zusätzlich indirekt durch die wirklich einfältige und zahnlose KI ans Herz gelegt. Wer sich schnell genug durch Stellungen aus Benzintanks, Flakgeschützen und Propaganda-Lautsprechern von einem Ziel zum nächsten sprengt, kann auch ohne die optionale Unterstützung einiger Resistance-Kollegen eine riesige Übermacht ausräuchern, ohne sich allzu große Gedanken um den militärischen Widerstand zu machen. Die Nazis zielen schlecht, Sean steckt eine Menge ein und seine Sprint-Energie ist grenzenlos. Dies ist mir sogar einige Male auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad „Wahnsinn“ gelungen. Natürlich kann man sich auch mit dem halbautomatischen Deckungssystem ein fast endloses Feuergefecht mit den Truppen liefern. Wer das nicht macht, ist aber eindeutig effektiver.
Und auch wenn sich diese Spießrutenläufe durchaus spaßig und - Vorsicht, Wortspiel - explosiv spielen, so wird man das Gefühl nicht los, dass man damit nahezu fast jede andere Spielmechanik, die dem Spiel Tiefe verleihen will, komplett aushebelt. Stealth: Unklug. Third-Person-Schießerei: Inneffizient. Klettern: Sehr verdächtig.