The Wheelman
Fährt besser als Niko
Wir könnten jetzt natürlich zuerst über Vin Diesel reden. Er hat das Spiel in seiner eigenen Spielefirma zusammenbasteln lassen, er liefert jede Zeile und egal wie sein Charakter in The Wheelman heißen mag, eigentlich ist es Vin Diesel und nur Vin Diesel. Da das aber ein so offensichtlicher Start wäre, wenden wir uns dem heimlichen Hauptdarsteller zu: Barcelona.
Wie eine kühle Dusche an einem heißen Sommertag erfrischt es, ein Szenario in einem Open World Game zu sehen, das mal nicht US-Vorbildern entlehnt wurde. Und wie schon „Ronin“, „8 Blickwinkel“ und diverse „Transporter“ zeigten, eigenen sich europäische Innenstädte sowieso viel besser für Verfolgungsjagden. Sie sind überfüllt, eng, verwinkelt und voller touristischer Attraktionen, die jeder sofort von Postkarten und Merian-Heften kennt.
Zumindest ein paar der Attraktionen der wunderschönen Stadt Barcelona im katalonischen Teil Spaniens findet Ihr auch in The Wheelman gut erkennbar wieder. Die Kolumbus-Säule, die Kirche der Sagrada Familia oder das gotische Viertel mit der Kathedrale im Zentrum lassen sich von Kennern der Stadt gut identifizieren und auch das Straßennetz scheint nicht komplett an der Realität vorbeizulaufen. Zumindest in Ansätzen und bei großen Promenaden. Im Detail wurde dann doch Zuschnitt betrieben, um alles schön breit und befahrbar zu halten.
Während man das natürlich im Rahmen guter Spielbarkeit locker verzeihen kann, lassen sich die völlig monotonen, immer gleichartigen Straßenzüge zwischen den Sehenswürdigkeiten nicht so einfach verschmerzen. Das geht so weit, dass Ihr selbst nach Stunden manchmal kaum wisst, in welchem Stadtteil Ihr Euch befindet. Nicht mal ein Barcelonianer hätte den Hauch einer Chance, hier ohne Karte zum Ziel zu finden, da alle Fassaden praktisch ohne Alleinstellungsmerkmale auskommen.
Wenigstens sieht Vin Diesels Barcelona hübsch hell und freundlich aus, kommt ohne Pop-Ups in der Tiefe zurecht und ruckelt nirgendwo vor sich hin. Was wohl auch daran liegt, dass in der Stadt weder besonders viel los ist, kein Tag-Nacht-Wechsel oder gar Wetter existiert und jeglicher Eindruck echten Stadtlebens vernachlässigt wurde. Mit anderen Worten: Das virtuelle Barcelona kann unter der von Liberty City gelegten Messlatte nur müde hindurch kriechen.
Kommen wir nun zum eigentlichen Hauptdarsteller, der sich hier in besten Posen mit zementierten Oberkörpermuskeln selbst inszeniert. In seiner Gegenwart würden Eisbären frieren, Batmans Stimme für die eines Kastraten gehalten werden und jeder weiß, dass auf diesem Bildschirm nur Platz für einen ist. Vin Diesel. Ob sein supercooles, röchelstimmiges Posen, das den Verdacht nahe legt, er würde zum Lachen in einen Dungeon unter dem Keller gehen, gefällt, ist eine Geschmacksfrage und soll hier gar nicht Thema sein. Mögt Ihr sein Auftreten in den Filmen, dann liegt Wheelman genau richtig und bringt die breite Brust gut getroffen auf den Screen.
Was weit mehr ist, als man von der Handlung um den tollsten Autofahrer in Barcelona behaupten kann. Ehrlicherweise lässt sich überhaupt nicht so wahnsinnig viel dazu sagen. Ein kurzes Intro deutet an, das Vin Undercover für den CIA in Barcelona etwas finden soll, was das Ende der Welt oder so bedeuten könnte. Danach entlässt Euch das Spiel ohne weiteren Background in die Unterwelt der Stadt, in der Ihr insgesamt drei stereotype Gangs mit austauschbaren Bösewichtern als Anführern Avancen macht, um sie gegeneinander auszuspielen. Und das wiederum, um irgendwas zu erreichen, was Spanien so, wie wir es kennen, erhält. "Fast and the Furious" meets "James Bond" binnen 8 Stunden, nur nicht so gehaltvoll.
Letztlich geht es aber sowieso nur um eines: Vins Liebe zu Autos. In The Wheelman steht nicht die Story im Vordergrund, was angesichts dieser auch besser so ist, sondern das Fahren. Wildeste Stunts, 360s, Sprünge über alles, was zuerst aufwärts geht, und sogar das Entern fremder Autos mittels eines suizidalen Sprungs. Und man muss es The Wheelman lassen: Das Feeling des Fahrens stimmt wie bei keinen anderen Open World–Titel bis zu dem Punkt, an dem Ihr Euch selbst für den „Transporter“ haltet.
Mit Handbremse wilde Manöver zu reißen, kostet Euch keine Mühe bei der Eingewöhnung, klappt praktisch sofort und fühlt sich einfach richtig an. Natürlich sind auch die Feinde nicht zu Fuß unterwegs und starten sofort von Mission 1 an, Euch in die Zange zu nehmen. Sehr schlau stellen sie sich nicht an und mittels ruckartiger, gut kontrollierbarer Ramm-Moves auf dem rechten Stick drückt Vin sie schnell in die Häuserfassaden, wo sie mit spektakulären Kameraschwenks explodieren. Obwohl cineastisch wertvoll, bleibt es doch eine Freude, diese Einblendungen abzuschalten. Mitten in der rasanten Verfolgungsjagd durch eine Umblendung gestört zu werden, nervt mit der Zeit ein wenig.