Tomb Raider: Underworld
'Somewhere beyond the sea'
Es gibt haargenau eine Sache, die die bessere Hälfte der mittlerweile acht Tomb Raider-Spiele gemeinsam hat: Die perfekte Illusion eines echten und wahrhaftigen Abenteuers. Das ging schon mit dem ersten Teil los, der 1996 den Videospielen und ihrer ausgelutschten Struktur aus Abschnitten, Leveln und Welten einen satten Tritt in Richtung Neuzeit gab. Hier konnte man dank einer ungleich eleganteren Unterteilung in organische, verbundene Höhlen und Tempel das erste Mal vergessen, dass man nur spielte. Man dachte nicht mehr in Videospiel-Begriffen, sondern erforschte und hatte fast das Gefühl, als könnte man diese Orte tatsächlich irgendwo finden, wenn man nur danach suchte.
Laras Abenteuer waren immer unwahrscheinlich, aber niemals ganz unmöglich. Zumindest nicht, wenn man sich noch einen Funken Fantasie bewahrt hatte. Dieses Gefühl, uralte Geschichte zu entdecken, einen langen, beschwerlichen und halsbrecherischen Weg auf sich zu nehmen und zu Ende zu gehen, das ist es, was Tomb Raider definiert. Bei Crystal Dynamics weiß man das genau und beweist dies auch mit Underworld zum nunmehr dritten Mal.
Der Abschluss der in Legend begonnenen Geschichte, ist das bisher hübscheste und lebendigste Tomb Raider und schenkt Euch einige Momente, an die Ihr Euch noch lange erinnern werdet. Leider beweisen die Kalifornier aber ebenso, dass sie über die Schwächen ihrer Leading Lady weit weniger gut Bescheid wissen.
So steckt auch in Underworld erneut ein sehr mäßiger Dauerfeuer-Shooter und eine leicht unterentwickelte Hintergrundgeschichte. „Business as usual“ könnte man da fast zähneknirschend sagen – wenn man mit dem Rest des Spieles nicht so verdammt viel Spaß hätte.
Underworld beginnt mit einem Knall: Lara ist anscheinend gerade auf dem Weg zum Weinkeller, als plötzlich das Croft Manor von einer Explosion durchgeschüttelt wird wie eine Wiimote an Heiligabend. Das geschichtsträchtige Herrenhaus der Archäologen-Diva, Schauplatz ungezählter Kletter-Tutorials und Time-Trial-Versuche, steht auf einmal in Flammen. Die Wände stürzen ein, stellenweise kommt die Decke herunter und die Raumtemperatur steigt langsam, aber sicher in ungemütliche Regionen.
Während man sich seinen Weg durch die glimmenden Trümmer bahnt, stellt man fest, dass prinzipiell alles beim Alten geblieben ist: Helle Vorsprünge zum Festhalten, praktische Quader zum Verschieben und Ankerpunkte, um sich mit dem Enterhaken über Abgründe zu schwingen. Die Steuerung fühlt sich nach Anniversary erneut überaus griffig und direkt an, während die neuen, erstmals motion-gecaptureten Bewegungsabläufe Lara eine noch katzenhaftigere Geschmeidigkeit verleihen. Es ist kein großer Sprung, aber er ist da.
Bevor man aber eine Erklärung dafür bekommt, was hier zur Hölle gerade passiert und warum Laras Assistent Zip unvermittelt und panisch das Feuer auf sie eröffnet, spult Underworld zurück. „Eine Woche zuvor“ heisst es und Lara liegt mit Ihrem Speedboot irgendwo im Mittelmeer vor Anker. Sie ist auf der Suche nach ihrer Mutter, die zu Beginn von Legend durch ein Portal verschwand und sich laut Konkurrentin Amanda alive and kicking in Avalon, der letzten Ruhestädte von König Arthus, befinden soll.
Wir versuchen erst gar nicht nachzuerzählen, was warum anschließend passiert, denn die Story wildert noch vogelfreier als sonst in zahllosen Sagen, zieht Parallelen von Hindutempeln über die Maya-Kultur zu den Götterliedern der nordischen Edda und lässt selbst Serienfans damit schon bald hinter sich. Wie sehr oder wenig plausibel das sein mag, interessiert beim Spielen aber wie gehabt nicht die Bohne. Den Tempeln und Katakomben, die man unter Einsatz von Laras zerbrechlichem Hals entschlüsselt, nimmt man die mythologischen Wirrungen jede Sekunde lang ab. Das geht schon im Mittelmeer los. Tief unter dem Meeresspiegel geht Lara auf den eindrucksvollsten Tauchgang, den man in einem Action-Adventure bisher erleben durfte.