Too Human
Keine Missverständnisse mehr
„Too Human ist derzeit das wohl missverstandendste Spiel der Industrie.“
Keine Frage, schließlich ruft man derzeit sogar ein Gericht an, um die Frage der Unreal 3 Engine zu klären, mit der eigentlich die Too Human-Trilogie entstehen sollte. Alles begann mit dem Vorwurf von Seiten Silicon Knights in Richtung Epic, dass deren Engine weder funktional sei. noch ausreichend von Epic selbst supported wird. Um einige Aktenordner kurz zu fassen: Bei Silicon Knights kam man zu der Ansicht, dass man mit der nicht gerade preiswerten Engine so nicht arbeiten kann.
Aus der Sicht von Epic liest sich dies natürlich anders: Hier ist man der Ansicht, dass Silicon Knights eine eigene Engine auf Basis der U3 baut, weitere Spiele auf deren Basis entwickelt und gegen Verträge und Copyrightbestimmungen verstößt. Schwere Geschütze also auf beiden Seiten. Das Gericht lies vor kurzem die Klage von Silicon Knights zu und nun wird man abwarten, was die Verhandlung aus dem Verwirrspiel von Vorwürfen und Gegenvorwürfen ergibt.
Aber dieser komplizierte Fall ist mit dem initialen Zitat gar nicht gemeint. Die Too Human umschwirrenden Missverständnisse, auf die Silicon Knights Denis Dyack anspielt, begannen im vorletzten Jahr, auf der E3 2006. Eigentlich war es wohl zu früh, um das Spiel der Welt zu präsentieren, denn was diese dort sah, war alles andere als ein gelungener Devil May Cry-Verschnitt. Mehr ein von Kameraproblemen geplagter, unschöner und sehr trauriger Ableger. Ein weiteres Next-Gen Actionspielchen, das schon in der Last-Gen keinen vom Hocker gehauen hätte.
So etwas liest man als Entwickler gar nicht gern über sein aktuelles Baby, aber alle Beschwichtigungen, Erklärungen und Statements halfen nicht viel. Also zog man sich in den Keller zu den Developermaschinen zurück und kam nur für die Gerichtstermine ans Tageslicht. Den Rest der Zeit schuf man etwas, das dann ein Jahr später auf der E3 2007 einen ganz anderen Eindruck hinterließ, ein Missverständnis aber nicht ganz aus dem Weg räumen konnte. Helfen wir den Jungs doch mal dabei: Too Human ist kein reines Actionspiel. Auf diese Aussage legen sie nämlich wirklich wert.
Es mag von der Perspektive danach aussehen, alle Gameplayvideos deuten es an, nur letztlich habt Ihr hier einen Hybriden aus Devil May Cry und Diablo vor Euch. Und in der genauen Mitte dieser Schnittmenge entsteht mit Too Human etwas ganz Eigenes. Action und Rollenspiel sind aber nicht das einzige Crossover, das Euch hier ins Haus steht. Auch das Setting schließt hier einige eher ungewöhnliche Ehen. Oder hättet Ihr gedacht, dass man nordische Mythologie und Matrix zusammen mit Met-Hallen und Bladerunner-Look kreuzen kann?
Um Euch zu dem Punkt zu bringen, wo Ihr eben jenes „Nordisches Epos in Hightech-Zukunft“ - Szenario versteht, setzen die Entwickler auf die Erzählweise der Skalden und die Regeln des Dramas nach Aristoteles. Der Skaldenanteil besteht in dramatischer Plastizität. Damit diese Nordlandbarden der Zeit um 1000 nach die Zuhörer für sich gewinnen konnten, verwandelten sie einen Satz wie „der König steht mit Schwert und Schild auf dem Schiffsdeck“ in „Der mächtige König ritt wie ein Wintersturm über die Wellen auf der Spitze des Entdeckers. Treu an seiner Seite sein Rüstzeug des getreuen Schildspalters und des Schützers der Heimstatt“.
Inhaltlich ähnlich, wird trotzdem tausendmal mehr suggeriert und die Phantasie des Publikums geweckt. So will man auch bei Too Human arbeiten. Das mit vielen Details sowie optischer und textlicher Poesie ausgestaltete Szenario soll Eure Phantasie ob der epischen Tiefe und der Andeutung von Bedeutung in Fahrt bringen. Ihr sollt dem Spiel gefesselt folgen, wie auch die Zuhörer vor 1000 Jahren an den Lippen der Skalden hingen.
Das ist der Stil, die lexis. Den Aufbau erklärt Silicon Knights dann weiter anhand der aristotelischen Begriffen von mythos (Handlung), ethe (Charaktere), opsis (Inszenierung) und melopoiia (Melodik). Silicon Knights schafft den mythos, die Vermischung von SciFi und nordischen Mythen. Damit kommen automatisch die ethe dazu und einige werdet Ihr sofort erkennen. Thor, Odin, Loki und der Rest der Bande sind schließlich auch heute noch bekannte Größen im Pantheon dessen, was die katholische Kirche unter Heidentum zusammenfasst.
Jetzt haben wir noch den Aufhänger, die opsis und die Art der Erzählung, die Perspektive, aus der erzählt wird, die melopoiia. Und hier hält man sich ein klein wenig bedeckt. Wieso nordische Götter durch eine offensichtlich eher von Foundation als Beowulf inspirierte Welt schlendern, werdet Ihr wohl erst ein wenig später ausmachen. Die Erzählperspektive des ersten Teils der Trilogie ist jedoch klar: Ihr werdet die Rolle des Gottes Baldur übernehmen, ursprünglich als nordischer Gott zuständig für Licht, Reinheit und Schönheit.