„Unser Jugendmedienschutz ist verfassungswidrig“
Ein Politologe kämpft gegen Verbote und Zensur
Portz führt nicht nur die allgemein bekannten Werbe- und Vertriebsbeschränkungen auf, wenn er die Auswirkungen einer Indizierung im Fokus hat. Was viele nicht wissen: Als jugendgefährdend geltende Medien dürfen nicht in einer separaten Ab-18-Abteilung eines Geschäfts ausliegen. „Zumindest das Shop-in-the-Shop-Prinzip ist explizit nicht zulässig.“ Erlaubt sei ein offener Verkauf nur in reinen Erwachsenenshops mit öffentlichem Eingang – in Pornogeschäften etwa, was nach Ansicht des 27-Jährigen zur Stigmatisierung der Spieler führt. Nach Paragraph 15, Absatz 2 des Jugendschutzgesetzes gelten „schwer jugendgefährdende“ Medieninhalte überdies automatisch als indiziert, ohne dass die BPjM aktiv wird. „Händler machen sich also bereits potenziell strafbar, wenn sie ein nicht USK-gekennzeichnetes Spiel wie einen normalen 18er-Titel anbieten.“
Unser Jugendschutz biete demzufolge keine Rechtssicherheit, was gegen eine weitere Maxime der Verfassung verstoße, das „Bestimmheitsgebot“. Handel und Industrie könnten ohne USK-Prüfung nie mit Bestimmtheit wissen, ob ein Spiel jugendgefährdend oder gewaltverherrlichend sei – auch wegen der „schwammigen“ Kriterien, die eben das festlegen sollen. „Der Ladenbesitzer oder Hersteller begibt sich somit in eine Russisches-Roulette-Situation und macht sich von der subjektiven Willkür eines Entscheiders abhängig, also von der BPjM oder einem Richter.“
Wenn ein mündiger Spiele-Fan nun einen jugendgefährdenden Titel kaufen möchte und ihn nicht bekommt, liege das demzufolge nicht am Handel, so Portz. Indizierungsbefürworter würden gerne behaupten, dass ein Geschäftsführer einfach Bedenken habe, mit Spielen unter der Ladentheke zu wenig zu verdienen – was der Grund sei, warum er sie lieber gar nicht führt. Die wahre Ursache, so Portz, sei letztlich die Konstruktion des Jugendmedienschutzes. Dieser schüchtere Händler mit existenzbedrohenden Geld- und Haftstrafen ein. Für den Politologen ist deshalb klar: „Indizierungen haben eine marktbeeinflussende Funktion, Erwachseneninhalte auszurotten.“
Und dann packt der passionierte Spieler die nächste bissige These aus: „Keine einzige rein auf Gewaltinhalte bezogene Indizierung ist objektiv nachvollziehbar!“ Unter anderem wirft der Rheinländer der Bundesprüfstelle vor, ironie- und sarkasmusresistent zu sein. Sie verwechsle regelmäßig Fiktion und Realität und produziere bei der Auflistung einzelner, aus dem Zusammenhang gerissener Gewaltszenen massenhaft formale, inhaltliche Fehler.
„Die Beisitzer sind in der Regel mit wenig Spiele-Sachverstand gesegnet. So kannte die an allen Verfahren beteiligte Vorsitzende Elke Monssen-Engberding 2008 weder Halo 3, Call of Duty 4: Modern Warfare noch GTA IV. Das spricht nicht für eine profunde Kenntnis der Materie.“ Wie wolle man einen vermeintlich indizierungswürdigen Kandidaten richtig einordnen, wenn man Referenzwerte nicht richtig interpretieren kann? „Die Entscheidungen der BPjM sind nichts anderes als eine subjektiv moralische, ethische, politische, religiöse, ästhetische oder geschmackliche Meinungsäußerung des gerade zufällig zuständigen Prüfgremiums.“
Womit wir zum Thema Zensur kommen. Spieler wettern häufig gegen die USK und sagen ihr nach, Spiele zu zensieren. Hier ist es wichtig, zweierlei zu wissen: Erstens ist es nicht die USK, die etwas an den Spielen ändert. Das tun die Hersteller, um zum Beispiel wegen einer niedrigeren Altersfreigabe größere Stückzahlen verkaufen zu können. Zweitens, und das wissen wenige, ist die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle gar nicht für die Alterseinstufung verantwortlich. Ja, richtig gelesen! Die USK fungiert nämlich nur als Dienstleistungsunternehmen und Vorbereiter, testet die Software und stellt sie einem Prüfgremium vor. Dieses besteht aus Gutachtern, die Erfahrung in der Kinder- und Jugendarbeit haben. Die Entscheidung, ob ein Spiel ohne Altersbeschränkung, ab 6, ab 12, ab 16, ab 18 Jahren oder gar nicht freigegeben und damit für die BPjM zum Indizierungskandidaten wird, trifft allein einer von zwei Ständigen Vertretern der Obersten Landesjugendbehörde (OLJB) – und damit der Staat (nachzulesen hier. Bei den beiden Entscheidungsträgern, ebenfalls Mitglieder des Prüfgremiums, handelt es sich um einen Psychologen und eine Pädagogin.
Durch die USK entstehe für die Spieleanbieter ein hoher Druck, weiß Portz. Sie veranlasst sie ab und an, sogar ihre Ab-18-Titel zu schneiden, um einer Indizierung zu entgehen. Doch ist das Zensur? Interessant ist, was etwa Marek Brunner dazu sagt, der USK-Cheftester: „Zensur wäre, wenn der Staat sich einmischt, bevor das Spiel auf den Markt kommt. Er würde Auflagen erteilen, die manche Titel gar nicht erst erscheinen oder in veränderter Form erscheinen lassen.“ In Deutschland sei aber die Veröffentlichung keines einzigen Spieles verboten. Dass der Staat nachträglich in den Markt eingreife und Spiele für Jugendliche verbieten lässt, findet er legitim. „Wir sagen ja nicht: Diese Inhalte sind für alle Deutschen schädlich, sondern: Dieses Spiel könnte für Jugendliche schädlich sein. Ich kenne aber keinen Erwachsenen, der sich ein Spiel nicht besorgen konnte, wenn er das wollte. Denn er kommt legal ran.“