Vampire Rain
Frustiger Schauer!
Es gibt Dinge im Leben eines Videospielredakteurs, die muss man anscheinend nicht begreifen. Vielleicht weil sie nach ihrer ganz eigenen Logik funktionieren, vielleicht aber auch, weil es einen Sinn gar nicht gibt? Wer weiß schon so genau, was in den kreativen Köpfen der Entwickler vor sich geht. Aber im Fall von Vampire Rain ist die Absicht des japanischen Artoon-Teams allerdings eindeutig – es ist ein Spiel, das Besitzer einer Xbox 360 emotional ergreift.
Nein, wir reden hier nicht von überschwenglicher Freude dank grandiosem Spielspaß, auch nicht von einer fesselnden Spannung, die Euch in den Bann zieht. Es geht um viel stärke Gefühle. Und die würde ich nicht unbedingt als Liebe bezeichnen. Obwohl für sadomasochistisch veranlagte Spieler der Traum der spielbaren Selbstquälung hier endlich Wirklichkeit wird. Alle anderen reißt Vampire Rain in einen Strudel aus permanentem Frust, tiefer Verzweiflung und unbändiger Wut. Würde Artoon in Nürnberg residieren, wäre ich persönlich dort vorstellig geworden und hätte mit rot unterlaufenen Augen gefragt, ob man mich mit Absicht in den Wahnsinn treiben will.
Dabei hatten die Japaner vermutlich tief in ihrem Herzen gute Absichten. Schließlich möchte ich keinem Entwicklerstudio reine Böswilligkeit bei der Produktion solcher Machwerke unterstellen. Letztlich wäre so ein Ansatz auch ein unternehmerisches Himmelfahrtskommando. Doch trotzdem hat man bei der Produktion von Vampire Rain bestimmte Qualitätsansprüche vermutlich nicht beachtet. Eine einfache Erklärung für diesen unverzeihlichen Faux-Pas wäre schlichtweg Überforderung, schließlich hatte Aarton in den letzten Monaten nicht nur mit Yoshi's Island DS den Arsch voller Arbeit, sondern werkelte zusammen mit Mistwalker akribisch an der Fertigstellung des kommenden Rollenspielhammers Blue Dragon.
Zur komplexen Rollenspielkost und dem niedlichen Nintendo-Hüpfer ist Vampire Rain ein perfektes Kontrastprogramm, das auf klassische Action-Adventure-Elemente der Splinter Cell-Reihe setzt. So verwundert es wenig, dass Held John Lloyd auch optisch der kleine Bruder vom Kollegen Sam Fisher sein könnte. Während sich Tom Clancys Vorzeigeschleicher allerdings stets mit gigantomanisch veranlagten Terroristen herumschlägt, hat Lloyd mit seinem vierköpfigen Spezialkommando ein ganz anderes Problem. Nein, es regnet keine Vampire. Sähe ja auch selten dämlich aus. Allerdings erheben sich die untoten Nightwalker mit einem unstillbaren Appetit aus ihren urbanen Labyrinthen der Stadt und dezimieren im Akkord die Bevölkerung. Das ruft Lloyd und sein Team auf den Plan, um den Vampiren Manieren beizubringen und vor allem die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren.
Da ist sie erneut, die offensichtliche Parallele zum guten alten Sam. Und im Grunde genommen unterscheiden sich beide Titel zumindest im Gameplay nur marginal – Stealth-Action steht auf dem Programm.
Dank der düsteren Atmosphäre und des gewissen B-Movie-Horrorflairs der Geschichte nahm ich in meiner Unwissenheit allerdings an, bei Vampire Rain handele es sich um einen Splatter-Titel, bei dem soviel Blut fließt wie Regen vom immer grauen, nächtlichen Himmel über Los Angeles fällt. Die Annahme war auch richtig. Dass es allerdings mein Blut sein würde, das die Regenpfützen am Straßenrand verfärben würde, ahnte ich nicht. Denn ganz ehrlich, selten habe ich in meinem Leben ein frustrierenderes Spiel als Vampire Rain erlebt. Lediglich meiner lethargischen Gemütlichkeit ist es wohl zu verdanken, dass mein 360-Pad nicht zum Opfer dieser Umstände wurde. Denn wenn in den ersten zwei Stunden über 50 Mal blutrot der enttäuschende „Spiel vorbei“-Schriftzug auftaucht, hört der Spaß auf.
Dabei sind die Einsätze von Lloyd und des Nightwalker-Teams keine große Herausforderung: Kommunikationssysteme der Vampire ausschalten, eine verschwundene Spezialeinheit finden oder Sicherheitssysteme deaktivieren – wer jemals mit Solid Snake oder Sam Fisher im Einsatz war, kennt das Aufgabenrepertoire zur Genüge.