Venetica
Der Tod steht ihr gut
Rollenspiele mit Frauen sind klasse. Bei Computer-Rollenspielen mit Frauen ist das allerdings so eine Sache. Mir beispielsweise fällt es schwer, eine weibliche Heldin zu verkörpern. Das hat nichts mit Chauvinismus zu tun. Ich kann mich eben nur bedingt mit einer Amazone identifizieren. Genau genommen fällt mir nur ein Spiel mit einer Protagonistin ein, von dem ich begeistert war: Heavy Metal: F.A.K.K. 2. Was wohl eher am kranken Szenario und dem schmucken Kettensägenschwert lag als an der Hauptdarstellerin.
Nun begab es sich, dass ich an der Vorstellung eines Titels teilhaben sollte, bei der eine gewisse Scarlett im Mittelpunkt steht. Es ging um Venetica, ein Action-Rollenspiel der Ankh- und Jack Keane-Macher, das im Herbst für PC und Xbox 360 erscheint. Ich war skeptisch.
Zum Glück gibt es in der Branche aber Menschen, die wissen, wie man Interesse weckt. Nach zwei Stunden Präsentation mit Peter Molyneux etwa (Populous, Magic Carpet, Fable) möchte man glatt einen Staubsauger von ihm kaufen, obwohl er gar keinen angeboten hat – und das ist nicht despektierlich gemeint! Im Fall von Venetica legte Pressesprecher Claas Wolter von dtp eine engagierte und unterhaltsame Performance hin. Er hatte mich nach einem Satz im Sack:
„Je knapper das Kleid, desto höher der Rüstungsschutz, das hat schon bei Xena funktioniert.“
Gut, das mag jetzt doch auf eine chauvinistische Ader meinerseits hindeuten. Glücklicherweise brennen sich neben Scarletts ausnehmend schönem Bauchnabel weitere „magische“ Momente ins Hirn, sieht man Venetica in Aktion. So dürfen sich Level-Boss-Fetischisten freuen – wenn sich Madame zum Beispiel mit einem mindestens sechs Meter großen, satansähnlichen Muskelberg fetzt, der ein infernalisches Brüllen anschlägt. Doch dazu später mehr.
Das Szenario des Titels liegt abseits vom Zwerg-Elf-Ork-Standard-Gedöns. Venetica ist anders. Erfrischend anders? Auf jeden Fall tappt Ihr durch ein unverbrauchte Welt. Intellektuelle Eurogamer-Leser ahnen es vielleicht, Venetica spielt die meiste Zeit in Venedig; in einer fiktiven Version des 16. Jahrhunderts. Allerdings erst nach der Ouvertüre in einem Bergdorf, das von idyllischen Wäldern umgeben ist. Später verschlägt es Euch nach Afrika … doch stopp, ich schweife ab. Beginnen wir von vorn.
Manche Väter haben doofe Berufe. Niemand will in jungen Jahren Kind eines Müllmanns sein. Oder eines Besamungsbeauftragten. Zu peinlich! Am Ende, ich male mal den Teufel an die Wand, ist Papa gar Manager des FC Bayern – brrr. Scarletts Vater, und hier kommen wir zum Punkt, geht ebenfalls einer seltsamen Profession nach. Er ist von Beruf Tod. Genau, Gevatter Tod. Das eröffnet er dem verdutzten Töchterlein erst kurz von seiner Pensionierung.
Daddy Death erklärt Filia, dass der Job des Sensenmanns nach einer Legislaturperiode stets an einen anderen Menschen übergeht, es diesmal aber zu einer Panne gekommen sei. Ein Schwarzmagier namens Victor habe sich die Fähigkeit des Todes angeeignet. Nun will der Nekromant Unglück sähen. Monster auf Menschen hetzen, die Schwachen knechten, brandschatzen, die Weltherrschaft erlangen und bei Rot über die Ampel gehen. Das ganze Fisimatenten-Programm eben.
Weil die Schergen des bösen Wichts in einer dramatischen Eingangssequenz dann auch noch Scarletts Verlobten Benedict abmurksen, hat die junge Frau die Faxen dick, legt Nudelholz und Kochlöffel beiseite und greift zum Schwert. Wobei: So ganz weg vom Fenster ist Benedict nicht. Er geistert nämlich durch das Reich des Todes – und Scarlett hat dafür ein Visum. Sozusagen. Denn jetzt macht sich die Verwandtschaft zu Herrn Knochenklaue bezahlt. Unsere Heldin hat ein paar coole Eigenschaften von Papa geerbt, was eine weitere Besonderheit von Venetica ausmacht.