World of WarCraft: Cataclysm
Härter, größer, besser?
Auch nach viereinhalb langen Stunden, ca. 20 Wipes und fünf Random-Healern gelang es uns gestern Nacht nicht, die Hallen des Ursprungs auf Heroisch zu bezwingen. Eigentlich eine kleine Katastrophe, doch statt wütender Stimmen hörte ich im Teamspeak nur lautes Gelächter. Selten habe ich es erlebt, dass man sich so über eine Niederlage freuen kann. Klar, hier wurde nicht mit Unbekannten gespielt, sondern mit Mitgliedern meiner Gilde Salvation, trotzdem wird damit ein herausragendes Element von World of WarCraft: Cataclysm deutlich: Endlich mal wieder ein knackiger Schwierigkeitsgrad in den 5er Instanzen.
Kein Zusammenziehen und Durchbomben wie bei Wrath of the Lich King, keine Auslegung auf brutale Ausrüstung, Add-Ons und perfekt verteilte Talente, sondern endlich mal wieder ein Gameplay mit Hirn und Verstand. Movement, Crowd-Control und die richtige Taktik entscheiden über Sieg oder Niederlage. Jeder einzelne Boss wird so zu einer Errungenschaft, das Team spielt die Hauptrolle. World of WarCraft hat dadurch für mich einen wichtigen Schritt nach vorne beziehungsweise zurück zu alten Tugenden gemacht.
Ein Schritt, der angesichts der vielen neuen Komfortfunktionen und Vereinfachungen überrascht. Auf den ersten Blick mögen Dungeon-Finder, Quest-Helper und ein lineares Quest-System kaum zu diesem Anspruch passen. Doch im Prinzip wird damit die Blizzard-Maxime „Easy to learn, hard to master" auf stringente Weise weiterentwickelt. Wie schon ansatzweise mit der Einführung der Hard-Modes bei Wrath of the Lich King, soll es damit jedem Skill-Niveau ermöglicht werden, jeden Inhalt zu sehen.
Während Casual-Zocker sich nach dem (viel zu schnellen) Durchquesten der neuen Gebiete und dem Erreichen der Höchststufe relativ entspannt durch die normalen Varianten schlagen, werden gerade Random-Gruppen selbst bei vermeintlich einfachen Dungeons wie dem Thron der Gezeiten in der heroischen Variante bis aufs Außerste gefordert. Okay, in den nächsten Wochen und Monaten wird sich dieser für meinen Geschmack perfekte Schwierigkeitsgrad durch die sich ständig verbessernde Ausrüstung etwas abschwächen. Doch jetzt, genau in diesem Moment, fühle ich mich bei World of WarCraft wieder Zuhause. Und das nach Monaten der Abstinenz.
Einen ersten Einblick in die Qualitäten des Add-Ons gab es schon vor ca. einem Monat. Mit Patch 4.0 wurden praktisch alle Klassen über den Haufen geworfen. Die Talent-Trees wurden stark vereinfacht und einer speziellen Rolle unterworfen. Mein Todesritter-Tank konnte nun nicht mehr in Frost-, Blut- oder Unheilig-Skillung genutzt werden, sondern wurde auf eine Ausrichtung festgelegt. Erst nach dem 31. Talent konnte man seine Figur diversifizieren. Gleichzeitig wurden die sogenannten Meisterschaften eingeführt. Ein weiterer Wert, der je nach Ausrichtung ganz unterschiedliche Spezialfähigkeiten mit sich brachte.
Mein Blut-Tank erzeugt mit steigender Meisterschaft einen sogenanntes Blutschild, der ihn nach einem Treffer mit seiner Fähigkeit Todesstoß nicht nur heilt, sondern auch um einen Teilbetrag des erlittenen Schadens mit einem Schild schützt. Paladine erhöhen damit ihre Block-Chance, Krieger können mit kritischen Abwehrtreffern mehr Schaden reduzieren und Damage-Dealer wie Elementar-Schamanen bekommen eine weitere Zauberfertigkeit. Allein mit den Änderungen an den Charakteren könnte ich hier mehrere Seiten füllen.
Fest steht: Blizzard hat mit dem neuen System die Klassen abwechslungsreicher, die Unterschiede bei den Talentbäumen größer, aber die Freiheiten bei der Charakterentwicklung deutlich kleiner gestaltet. Ein zweischneidiges Schwert, das aber Anfängern einen Zugang zu anderen Klassen und Rassen ermöglicht, ohne vorher tagelang in Guides und Foren zu recherchieren. Ein weiterer Nachteil: Aktuell ist das Spiel nur auf Level 85 balanced. Mein Pala-Tank hat zwischen Level 40 und 60 jeden Damage Dealer abgehängt. Schön für mich und meine Dungeon-Gruppe, aber schlecht in PvP-Gefechten.
Doch die Änderungen bei den Klassen, die Vereinfachung der Stats und die Abschaffung einiger unsinniger Werte (Rüstungsdurchdringung und Verteidigungswertung) war erst der Anfang. Mit Patch 4.0.3 wurde Azeroth schon zwei Wochen vor der Veröffentlichung des Add-Ons von Todesschwinge heimgesucht. Dem fiesesten aller Drachenaspekte, der die Welt von WarCraft mit seiner Befreiung aus der Gefangenschaft ein für allemal veränderte.