Zu Gast bei Keen Games
"Wir sehen uns nicht als Umsetzungshaus"
Einstiegsprobleme stehen bei Keen Games aber schon lange nicht mehr zur Debatte, heimste das Team mit dem exzellenten Anno ja international durch die Bank weg hohe Wertungen ein, sogar in den Shooter-verliebten USA. Man merkt den Entwicklern an, dass man auf diese Leistung wirklich stolz ist, denn auch wenn man bereits mit der DS-Konvertierung des Vorgängers Erfolge feiern konnte, war es schwer abzusehen, wie die spielerisch doch stark modifizierte Konsolen-Umsetzung des PC-Mammut-Projekts aufgenommen werden würde.
Für Keen Games war klar, dass Anno kein Spiel für Hardcoregamer sein kann. In Zusammenarbeit mit Ubisoft und BlueByte wurden Bedingungen aufgestellt, die ein Anno auf Wii erfüllen muss. Es muss zugänglich sein, der Spieler darf am Anfang des Spiels nicht von neuen Funktionen überschüttet werden, er muss das Spiel direkt verstehen. „Das ist bei Anno ein wichtiger Faktor. Bei den alten PC-Versionen war es ja so, dass man sich erst mal etwas reinarbeiten musste. Und der Spieler von heute, speziell die Wii-Fraktion, will das nicht mehr. Er will das Spiel anschalten und sofort Spaß haben.“ Wichtig war auch die Möglichkeit, es alleine mit der WiiMote zu spielen: „Viele der neueren Spieler werden abgeschreckt, wenn sie zu viele Knöpfe gleichzeitig drücken müssen.“
„Es gab einige Punkte, an denen wir lange gerungen haben. Bei manchen Elementen waren die Ziele sehr hochgesteckt und wir haben lange gebraucht, um eine Lösung zu finden. Am Interface haben wir beispielsweise immer wieder Verbesserungen und Veränderungen gemacht.“, betont man. „Bei Anno gibt es sehr viele Informationen, die man dem Spieler präsentieren könnte, wie man an älteren Anno-Spielen gut sieht. Für uns war es dann eine Herausforderung, welche Informationen der Spieler wirklich benötigt, um Anno gut spielen zu können.“
“Der Wii-Spieler unterscheidet sich ja auch vom PC-Spieler. PC-Spieler neigen zu vielen Statistiken und haben gerne die Kontrolle über jedes Detail. Auf Wii ist das eher nicht so, daher mussten wir herausfinden, welche Informationen wir wie aufbereitet anbieten wollen. Durch die geringere Wii-Auflösung mussten wir zudem immer darauf achten, dass alles auch schön übersichtlich bleibt und alle Aktionen mit wenigen Klicks möglich sind. Alleine schon für das Schiff hatten wir vier verschiedene Steuerungssysteme entwickelt.“
Wenn man dann so mit den Keen-Jungs redet, dann wird auch schnell klar, dass in Frankfurt trotz allem wirtschaftlichen Druck der Branche noch Spieler arbeiten und nicht die Zahlenjongleure am Ruder sitzen. So mancher Mitarbeiter versüßt sich die Freizeit mit ausführlichen World of WarCraft-Runden und noch vor kurzer Zeit gab es eine Keen-interne Mario Kart DS-Liga, bei der in regelmäßigen Mittagspausen-Rennen Punkte gemacht wurden. Überhaupt stellt Nintendo eine wichtige Inspirationsquelle für das Team dar. Obwohl sich Keen Games an keinem speziellen internationalen Studio orientiert, ist die makellose Spielbarkeit und die vorbildliche Lernkurve der besten Nintendo-Titel stets ein Vorbild für die Frankfurter. Ein Umstand, den man gerade bei Anno sehr gut beobachten kann, attestierten doch zahlreiche Spieler dem Titel echte Nintendo-Qualitäten. Über ein solches Lob freut man sich dann natürlich sehr.
Die Spieler freuen sich dafür umso mehr, dass die eingangs erwähnten Gerüchte über ein vorzeitiges Ableben des Studios stark übertrieben waren und sich schließlich als falsch herausstellten. Jetzt gilt es, die GamesCom abzuwarten, um zu sehen, was Keen Games als nächstes aus dem Hut zaubert. Aber wenn die Geschichte von Keen und Neon uns eines gelehrt hat: Mit der Truppe um Jan Jöckel ist immer zu rechnen – schön, dass es auch in Deutschland solch talentierte Konsolen-Entwickler gibt.