Dragon Age: Origins
Der Anbruch eines neuen Zeitalters
Es stört zudem an keinem Punkt, dass die meisten Wege euch recht geradlinig führen. Und auch wenn Dragon Age gewaltig im Umfang ist, ein Open-World-Spiel ist es beim besten Willen nicht. Ihr steuert auf der Weltkarte weitestgehend frei eine Handvoll kleinerer und über ein Dutzend große Orte an - zuletzt genannte spalten sich dann noch mal in Stadtteile oder einzelne Bereiche auf - und findet dort außerordentlich detaillierte Landschaften und Städte vor. Sie werden euch weit mehr geben als so manche Welt, in der ihr jedes leere, dumme Haus betreten könnt. Auslauf findet sich so auch noch mehr als genug und mit ein wenig Zielstrebigkeit lässt sich die Dramaturgie auch weit besser vermitteln. Und ehrlich gesagt beträgt die Spielzeit bei zügiger Arbeit jetzt schon etwa 60 Stunden. Nehmt ihr euch Zeit, geht es locker in die Richtung der 100. Meine werte Kollegin, die bereits zweimal die Reise antrat und bislang an die 220 Stunden in Ferelden verbrachte, findet selbst jetzt noch neue Sachen heraus. Gewaltiger Umfang? Check. Großgeschrieben.
Die Tiefe von Geschichten, Persönlichkeiten, Charakterdesigns und –entfaltung, die Beziehungen der Figuren untereinander, das sind die wahren Stärken von Dragon Age. Die Punkte, in denen es den Bereich des Computer-Rollenspiels, wie man es bisher definierte, weit hinter sich lässt. Aber wie sieht es mit dem Spielsystem aus? Es wäre doch tragisch, wenn all dieser epochale Aufwand für die Katz wäre, nur weil einem Steuerung und Spieldesign ständig Steine in den Weg legen würden.
Es wäre tragisch, aber ich kann frühe Entwarnung geben. Das Gerüst unter Dragon Age mag nicht annähernd so spektakulär sein wie sein Überbau. Dafür könnt ihr es mit einem soliden Fundament vergleichen. An keiner Stelle schwächelt es und seine Aufgabe erfüllt es so perfekt wie unauffällig. Auch wenn man hier und da ein wenig auf die Unterschiede zwischen Xbox 360 beziehungsweise PS3 und der PC-Fassung eingehen muss.
Ihr durchquert die Lande mit einer bis zu vier Mann oder Frau starken Truppe und die Abweichungen finden sich bereits in der Handhabung dieser Zahl. PC-Eigner zeigen mit einer lässigen Mausbewegung auf den nächsten Wegpunkt, das nächste Ziel und schon läuft die versammelte Truppe gemeinsam dorthin. Klassisch, wie man es von Bioware und zahllosen anderen Rollis gewohnt ist. Die Perspektive lässt sich dabei stufenlos vom Third-Person-Closeup bis in die Baldur's-Gate-Vogelsicht herauszoomen. Auf der Konsole ist die Ansicht hinter der eigenen Figur festgelegt, lässt sich nicht verändern und steuert sich so, wie man es mit dem Pad gewöhnt ist.
Ihr habt hier auch keine direkte Kontrolle über die ganze Gruppe auf einmal, sondern lenkt immer nur eine einzelne Figur und könnt dabei jederzeit zwischen ihnen umherschalten. Die anderen drei machen ihr Ding. Damit sie dabei nicht zu negativ auffallen und ihr der KI nicht das Ruder überlassen müsst, lässt sich in einem extrem tief verschachtelten Menü festlegen, in welcher Situation sich wer wie verhalten soll. Heilen, wenn es unter 20 Prozent der Energie geht. Schild-Angriff benutzen, wenn drei oder mehr Gegner sich frontal nähern. Im Hintergrund mit Zaubern bleiben, bis Mana unter 20 Prozent, dann in den Nahkampf. Dieses Setup richtig einzustellen, kann schon ein wenig dauern und im Laufe des Spiels werdet ihr immer wieder ein wenig daran herumfeilen. Aber sowohl auf PC als auch Konsole – hier sogar noch weit mehr – macht es Sinn und dann ist es auch eine Freude zu sehen, wie jeder Kampf optimal anläuft, weil ihr euch einmalig richtig Mühe gegeben habt.
Auf dem PC klickt ihr mit den gewählten Charakteren die anzugreifenden Feinde an, habt unten eine bis auf 30 Slots ausdehnbare Leiste, mittels der ihr Zauber- und Spezialattacken aufruft. Die Space-Taste pausiert das Geschehen beliebig, um euch Gelegenheit zu geben, neue Befehle zu verteilen. Zur Anpassung der Details der Fertigkeiten, um einen Ausflug in das Inventar zu wagen oder die Befehlsketten anzupassen, visiert ihr schlicht die Menüpunkte am oberen Bildschirmrand an. Auf Konsole erwartet euch hingegen ein kreisförmiges Menüsystem, das alle wichtigen Aspekte des Kampfes in sich vereint. Gut handlebar und ausgesprochen wichtig, da es hier keine Pause gibt, jedenfalls nicht im Sinne der Space-Taste.
Hier stoppt ihr mittels Aufrufs des Kreismenüs und könnt in aller Ruhe und jederzeit Waffen umverteilen oder neue Zauber auf die hier sechs Schnelltasten legen. Drei der Knöpfe erledigen dies, der rechte Trigger dient zum Umschalten zwischen den beiden Dreiersätzen. Ansonsten spielt ihr immer mit der gewählten Figur, während die KI entweder selbstständig ordentlich arbeitet – Magier und Schützen rennen meistens nicht blind nach vorn – oder sich an eure Vorgaben hält.
Interessanterweise steht das Menü zur Detailplanung auf der Konsole nicht sofort zur Verfügung, sondern erst sobald einer der Charaktere den Skill Kampftaktik gelernt hat. Ignoriert den also nicht, so wie ich es in den ersten Stunden tat, sonst wundert ihr euch auch, warum diese Funktionen fehlen. Wenn ich das Kampfsystem mit wenigen Worten zusammenfassen soll, fällt das Urteil einfach aus: Bekannt, solide und absolut effizient. Man ärgert sich nie, es lässt einem viele Freiheiten und spielt sich auch nach vielen Stunden noch frisch genug. Keine Umwälzungen, aber solide wie Beton. Ähnlich verhält es sich mit den Fertigkeiten. Pflanzenkunde zum Tränkebrauen, Schlösserknacken, Giftmischerei und Überredung kennt man aus jedem anderen Spiel, aber hier ist es wieder die intelligente Einbindung dieser Fertigkeiten in die komplexen Aufgaben, die sich je nach dem Können eure Streiter auch anpassen und sogar mitunter ganz neue Wege öffnen.