Fallout: New Vegas
Das Wertungsdilemma
Immerhin wurde die Zusammenarbeit mit euren KI-Begleitern verbessert. Über ein neues Menü könnt ihr ihnen viel detailliertere Anweisungen geben und müsst sie nicht immer direkt ansprechen. Trotzdem hat auch hier die KI immer wieder Aussetzer, bleibt in der Level-Architektur hängen oder blockiert euren Weg. Insbesondere in harten Kämpfen ein großer Nerv-Faktor. Zum Glück sterben sie nicht, sondern werden nur ohnmächtig. Falls ihr also die Auseinandersetzung überlebt, stehen sie euch wieder zur Seite.
Und die Helfer sind diesmal wirklich außergewöhnlich. Ein kleines Beispiel: In einem verschlafenen Bergdorf könnt ihr eine weibliche Super-Mutantin namens Lily engagieren, die euch liebevoll "Mein kleiner Jimmy" nennt und sich als eure Großmutter betrachtet. Ja, die Gute hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Einmal zu lange ihren Stealth-Boy getragen, schon ist das passende Gehirn Mus. Sie trägt einen Strohhut und eine Häkeldecke um ihre Schulter, die herrlich zum Sturmgewehr passen, mit dem sie euch aus der Entfernung unterstützt. Das sind Momente, die trotz der holprigen Erzählweise und der schwachen Grafik für Jahre in eurer Erinnerung bleiben.
Außerdem bringen sie euch einmalige Vorteile: Ihr bekommt Extra-Perks, die sich über die Erfüllung ihrer persönlichen Quests sogar noch steigern lassen. Auf eurer Reise findet ihr einen Roboter mit Fernkampfwaffen, eine hübsche Unbekannte mit Energie-Faust, einen Cyber-Hund mit der Möglichkeit, Items aufzuspüren, einen klassischen Söldner mit Scharfschützengewehr, einen Ghoul mit Technologie-Update und zwei weitere, von mir bisher noch nicht entdeckte Unterstützer.
Bei einigen könnt ihr zusätzlich ohne Werkbank, Nachladestation oder Lagerfeuer das Crafting aktivieren, das bei Fallout: New Vegas eine deutlich größere Rolle einnimmt. Konntet ihr vorher nur ein paar ungewöhnliche Waffen zusammenschrauben, sind es nun Stärkungstränke, spezielle Munition und überladene Energiezellen. Selbst die Waffen-Modifikationen aus der Mod-Szene haben es in Fallout: New Vegas geschafft und steigern dadurch nochmal die Vielfalt der Gameplay-Mechanik.
Viele kleine, fast unsichtbare Änderungen basieren interessanterweise auf dem zweiten Fallout-Teil. Man merkt dem Spiel an, dass einige Original-Entwickler von Black Isle mit im Boot saßen. So werden zum Beispiel Körperteile durch Panzerung geschützt, die den dort eintreffenden Schaden verringert. Ihr müsst deshalb entweder eine andere Körperstelle anvisieren oder euch eine stärkere Waffe beziehungsweise panzerbrechende Munition besorgen. Auch einige Fraktionen wie die NCR, die Fiends und einige Gegner wie die Geckos kennt man noch aus dem Klassiker. Und selbst beim Levelanstieg wurde das alte System übernommen. Ihr bekommt nämlich nur jedes zweite Mal ein Perk verpasst.
Besonders interessant für Fans von komplexen Rollenspiel-Elementen: Der Hardcore-Modus. Wenn ihr den zu Beginn aktiviert, benötigt euer Charakter Schlaf, Wasser und Essen. Vernachlässigt ihr eines dieser Bedürfnisse, verliert ihr an Kraft und sterbt sogar irgendwann. Beschädigte Körperteile lassen sich außerdem nur mit den äußerst seltenen Doktor-Taschen oder bei einem Arzt reparieren. Munition hat ein Gewicht. Und Stimpacks regenerieren eure Lebensenergie auf Zeit und nicht auf Knopfdruck. Das Spiel wird dadurch leicht anspruchsvoller ohne zu überfordern und macht die Essenszubereitung deutlich sinnvoller. Außerdem müsst ihr ständig auf eure Verstrahlung achten. Nur selten habt ihr den Luxus, klares und unverseuchtes Wasser zu genießen. Ihr müsst also stets abwägen, was das geringere Übel ist.
Ach ja, auch bei den Perks wurde kräftig nachgelegt. Neben bekannten Varianten wie Explorer, um alle Zielpunkte freizuschalten, oder Fast Learner, das euch einen Erfahrungspunktebonus verpasst, dürft ihr euch über durchgeknallte Elemente wie Wild Vegas freuen. Dieses Perk schaltet ein paar Insiderwitze frei. So findet ihr in einem Kühlschrank eine eng gepackte Leiche mit einem bunten Strohhut. Oder Rad Child, das euch bei Verstrahlung wieder Lebensenergie zurückgibt. Ihr könnt euch also noch besser spezialisieren und bis Level 30 vorarbeiten.
Für Waffenfanatiker wurde das Arsenal fast verdoppelt. Vom Flammenwerfer über eine Pistole, die sich selbst nachlädt, bis hin zu einem Granaten-Maschinengewehr findet ihr alles, was den Kämpfer in euch glücklich macht. Schön: In der deutschen Version wurden nur die Zeitlupen-Kills von menschlichen Gegnern zensiert. Bei Ratten, Hunden und Todesklauen platzen die Körperteile was das Zeug hält. Deutlich dramatischer ist dagegen die deutsche Synchronisation. Einige Sprecher geben sich zwar redlich Mühe, aber die meisten wirken lustlos und demotiviert. Das geht deutlich besser, wie BioWare ein ums andere Mal unter Beweis stellt. Dafür stimmt aber die restliche Soundkulisse, bietet bombastische Musik und erstklassige Soundeffekte.