Jeff Strain im Gespräch
'Aktuellen MMOs mangelt es an Innovation'
Wir sind also an einem Punkt angelangt, an dem es einfach nicht mehr ausreicht, mit einem erprobten Konzept anzutreten. Man muss sein eigenes Ding machen. Das mag vielen vielleicht Angst einjagen, aber wenn man es nicht macht, sollte man darauf vorbereitet sein, was geschehen wird. Das zweite große Problem oder die zweite Besorgnis, wenn man so will, bezieht sich darauf, dass viele Entwickler in einer Denkweise gefangen sind, die darauf hinausläuft, einfach nur World of WarCraft 2.0 herausbringen zu wollen. Sie sehen den Erfolg von World of WarCraft und wollen ihn wiederholen. Ich weiß nicht ob sie sich darüber im Klaren sind, was das bedeutet. Es gibt natürlich einen Grund für diesen Erfolg: Das Spiel war etwa fünf Jahre in Entwicklung und hat wohl über 40 Millionen Dollar gekostet, es ist ein hochpoliertes Produkt und es baut auf einer existierenden und sehr populären Spielwelt auf. Sie haben sehr viel investiert und das zahlt sich jetzt für sie aus.
Meine Empfehlung an andere Entwickler-Teams und uns selbst - ich will hier nicht allen anderen etwas vorpredigen- : Glaubt nicht, dass ihr World of WarCraft 2.0 mit einem Bruchteil des von Blizzard eingesetzten Budgets machen könnt. Das wird nicht gelingen. Ihr werdet nicht ein "magisches Feature" erfinden und eurem Gamedesign hinzufügen, das plötzlich die Spieleindustrie revolutionieren wird. Man muss sich bewusst sein, welch harten Einsatzes es bedarf, ein durchdesigntes MMO mit jeder Menge detaillierten Inhalten zu produzieren, wie groß das Team sein wird und wie viel Geld man da letztendlich reinstecken muss. Man muss realistisch sein und darf sich nicht auf sein Glück verlassen. Das sind also die beiden Hauptpunkte: Innovation und absoluter Realismus über den eigenen Einsatz.
(lacht) Wir haben natürlich eine Menge von Ideen. Guild Wars 2 wird der Ausdruck dieser Ideen sein. Wenn wir auf Guild Wars schauen, dann hatten wir wirklich vor, Innovationen voranzutreiben. Nicht nur mit dem Spieldesign, sondern auch mit dem Geschäftsmodell (keine Abogebühren - Anmerk. des Autors), denn diese beiden Elemente gehen Hand in Hand. Man kann nicht hingehen und ein Spiel machen und danach erst das Geschäftsmodell definieren. Beides muss von Beginn an aufeinander aufbauen. Wir waren bereit, mit etablierten Modellen zu brechen und lieb gewonnene Gewohnheiten, wie die Leveling-Kurve, die gesamte Fortschrittsmechanik, die Spieler zwingt, viel Zeit zu investieren, und das starre Fertigkeitensystem über Bord zu werfen und auch das PvP-Gameplay zu ändern. Guild Wars hat wirklich mit vielen Traditionen gebrochen und das war natürlich auch riskant. Was übrigens auch für das Geschäftsmodell gilt. Der Einsatz war sehr, sehr hoch für uns und NCsoft und glücklicherweise hat er sich eindrucksvoll ausgezahlt.
Entwickler müssen einfach herausfinden, was ihr eigenes Ding ist. Blizzard hat sein Ding und fährt gut damit und sie selbst werden höchstwahrscheinlich WoW 2.0 viel besser machen als irgendjemand anderes. Ihr anderen, löst euch von dieser Vorstellung! Man nehme beispielsweise Spiele wie Eve Online: Auch wenn sie vielleicht nicht die spektakulären Zahlen vorweisen können, ist es für sie erfolgreich. Sie haben ihr Ding gemacht, sie kennen ihre Zielgruppe und unterstützen diese Gemeinschaft. Sie sind erfolgreich, ohne auf die Konkurrenz zu schielen. Oder ich blicke auf Richard Garriotts Tabula Rasa, das ebenfalls eine eigenständige Richtung verfolgt und nicht versucht, in der Erfolgsspur eines anderen mitzuschwimmen. Und das respektiere ich ungemein. Ich würde gerne mehr von dieser eigenständigen Denkweise sehen.
Unser Ziel mit Guild Wars 2 ist in erster Linie das ultimative Guild Wars-Spiel zu kreieren. Viele Leute haben sich nur die Technologien, die wir in das Spiel integrieren, und nicht das Design angesehen, wie zum Beispiel eine persistente Welt. Das ist eine Technologie und kein Design. Und nun denken diese Leute, wir wollen ein eher traditionelles MMO machen. Aber nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein! Guild Wars hat sich einen Namen gemacht, weil wir unser eigenes Ding durchziehen. GW 2 wird dieses Prinzip weiter vorantreiben und uns nicht zurück zum Mainstream führen. Wenn wir eine neue Technologie wie eine persistene Welt hinzufügen, tun wir das, um einen neuen Spielstil zu ermöglichen. Wir nennen das Event-Based-Gaming. Das bringt uns zum ultimativen Ziel, dem Spieler den Spaß eines Offline Rollenspiels zu bieten, wo er sich im Zentrum des Universums befindet, und mixen das mit der sozialen Dynamik einer großen virtuellen Gemeinschaft.
Normalerweise entscheidet man sich für das eine oder das andere, Guild Wars 2 soll diese beiden Dinge verbinden. Das Event-Based-Gaming soll der Welt erlauben, sich unter Bezug auf das Verhalten der Spieler auffällig zu ändern. Ich denke, das wird eine völlig neue Art und Weise sein, wie man MMOs spielt. Wir werden also funktionierende Spielmechaniken aus Guild Wars 1 nehmen und sie verfeinern und verbessern und bringen zusätzlich neue Mechaniken ins Spiel. Daher wird GW2 sich mindestens genau so, wenn nicht noch mehr von all den bisherigen Spielen auf dem Markt unterscheiden. Eben wie GW1 zu seiner Zeit. Wir werden also definitiv unsere Vorstellungen umsetzen und 'leben, was wir predigen'.