Rock Band
Plastic Noise Experience
Auf Easy spielt die eigene Sangeskunst praktisch keine Rolle. Creep von Radiohead ist ein recht schwer zu meisterndes Stück, trotzdem legte ich immerhin eine 90 Prozent Performance hin. Nicht, dass ich gut gewesen wäre, im Gegenteil: Meine Freunde bezeichneten dies als eine der großen Momente des Abends und hätte jemand eine Youtube-Kamera gehabt, würden jetzt schon Tausende über mein Sangestalent amüsieren.
Es reicht, sich vage durch Geräusche an den Ton heran zu manövrieren, jeder kriegt das spätestens im zweiten Anlauf hin. Auf Medium klappt das auch noch, aber nur gerade so. Die letzten beiden Härtegrade verlangen von Euch die Fähigkeit, die richtigen Töne zu treffen und zu halten. Sollte niemand in Eurer Gruppe auch nur einen halbwegs menschlichen Ton herausbekommen, lässt sich die Originalstimme auch gnädig so weit hoch regeln, dass der vermeintliche Sänger nicht mehr zu hören ist. Dann wird nur noch seine Performance angezeigt, erleiden müsst Ihr sie nicht mehr.
Jeder einzelne Teil von Rock Band würde schon für ein eigenes Spiel reichen und tat es in der Vergangenheit ja auch – Guitar Hero, Singstar –, das Neue ist das Zusammenspiel aller Komponenten: Die Band.
Habt Ihr alles einmal im Solomodus ein wenig angespielt, ist es Zeit, mindestens drei Leute, idealerweise vier, in einem Raum mit Getränken und Chips zu versammeln. Diese Snacks helfen während der langen, aber trotzdem recht unterhaltsamen Phase der Bandgründung. Jeder Spieler braucht auf der Xbox 360 ein eigenes Profil, anschließend einen eigene Rocker.
Eurer gestalterischen Freiheit sind dabei zwar klare Grenzen gesetzt, über das einfache Herauspicken „wer klickt als erster Lars Umlaut an“ geht es aber weit hinaus. Gesicht, Haare, Körperstatur, Auftreten und, sobald im Laufe des Spiels etwas Geld in die Kasse kommt, auch jede Menge Klamotten in den Stilrichtungen Metal, Goth, Rock und Punk. Namhafte Firmen dürft Ihr bei der Shoppingtour aber nicht erwarten.
Dann noch schnell ein Bandname und schon geht es zum ersten Gig in der aus einem Dutzend zu Wahl stehenden Heimatstädte los – Berlin vertritt dabei Deutschland. Was jetzt passiert, hängt ein wenig davon ab, wie viel Gruppendynamik einsetzt. Jeder der vier kann nämlich gut für sich allein mit seinem Part die nächsten Minuten des Songs verbringen, nur auf seine Tonspur gucken und praktisch ausblenden, dass er hier mit seinem Drumkit oder der Gitarre nicht einsam im Raum steht.
Dieses Gefühl setzt am ehesten ein, wenn alle ganz gut spielen, aber nicht verbissen genug sind, um wirklich dass Maximum an Punkten herauszuholen. In diesem Falle nämlich lassen sich Bonuspunkte für Unisono-Spiel, gemeinsames Auslösen der gesammelten Powerleiste oder einfach nur richtig gutes und fehlerfreies Zusammenspiel ergattern. Jeder Fehler wird getadelt, jedes perfektes Solo gefeiert.
Die andere Variante ist die Fuchsbau-Schülerband-Kombo. Der Trommler zeigt gesunden Aktionismus, nur leider immer einen halben Takt daneben, der Bass kreuzt eher gelegentlich die gemeinsame Linie und der Sänger interpretiert am liebsten neu. Schnell wird da der erste vom Publikum ausgebuht und fällt aus dem Spiel. Jetzt liegt es am Rest der Band, ob sie sich genug zusammenreißen können, um ihren verschmähten Kollegen zum Instant-Comeback zu verhelfen.
Drei Mal kann jeder gerettet werden, danach fliegt er für den Song raus. Ein so erkämpftes Überleben eines besonders harten Stückes kann da für genauso intensive Gefühlwallungen in der Gruppe sorgen wie eine 100 Prozent-Wertung bei den Perfektionisten. Ihr wisst am besten, mit welchen Leuten Ihr spielt, Ihr könnt am besten einschätzen, wie so ein Abend laufen könnte, Ihr allein kennt das Begeisterungspotential Eurer Freunde.
Solltet Ihr eine gute Kombo zusammenhaben, die ihren Start-Gig überstand, gewinnt Eure Band die ersten Fans dazu, Ihr schaltet nach und nach mehr Songs und Gigs frei, ergattert den ersten Tourbus und besucht neue Städte. Harmonix gab im Multiplayer den komplett linearen Aufbau zugunsten einer recht freien Wahl der Städte auf, in denen auch später noch immer neue Bühnen und Sets freigespielt werden. Und natürlich jede Menge Songs.
Die Auswahl wird sicher nicht den Geschmack von denjenigen treffen, die gelegentlich eine bessere Hardcore-Auswahl fordern, für die breite Masse ist allerdings ganz gut gesorgt. Die nie allzu weit vom Mainstream abweichende Liste umfasst 45 Songs aus den letzten, fast ebenso vielen Jahren. Es startet in den 60ern mit dem Stones-Oldie Gimme Shelter, geht dann zu den 70s und damit zu einer breiten Setliste, die die Ramones, Aerosmith, Kiss, Blue Oyster Cult oder The Police aufbietet.
Die 80er lies man stiefmütterlich mit R.E.M. B-Ware und einigen wenigen Highlights praktisch links liegen, um sich dann mit umso mehr Verve in die 90er zu stürzen: Creep, Sabotage, Learn to Fly, Enter Sandman, Black Hole Sun, ein Klassiker jagt den nächsten. Im aktuellen Jahrzehnt verzichtete Harmonix netterweise auf Teenage Angst Emo und setzt auf eine Melange aus ruhigen Tönen – Yeah, Yeah,Yeahs Maps oder The Killers When You Were Young – und krachigem Rock-Material: NINs The Hand That Feeds donnert dabei genauso gut wie Fall Out Boys Dead on Arival - auch wenn diese beiden Songs wahrscheinlich zuvor noch nie im selben Satz genannt wurden.